Tim Caspar Boehme hört auf den Sound der Stadt:
Kulturaustausch der etwas anderen Art. Der libanesische Musiker Rabih Beaini, der neben seiner eigenen Musik in Berlin das Label Morphine Records und diverse Veranstaltungsprojekte laufen hat, holt diesmal Indonesien für die Konzertreihe Raung Raya in das Berghain. An fünf Abenden kann man dort das Musikschaffen des Landes fernab der üblichen Gamelan-Praktiken studieren. Den Auftakt macht am Donnerstag der indonesische Komponist Iwan Gunawan. Der ist zwar Gamelan-Meister, hat sich für sein Konzert aber samt seinem Ensemble mit dem schwedischen Perkussionisten Stefan Lakatos zusammengetan, um „Moondog for Gamelan“ zu spielen. Der US-amerikanische Komponist und Minimal-Music-Vordenker ist in einer Besetzung für Gamelan-Instrumente aus Bambus zu hören, eigens hergestellt, um die westliche Stimmung, in der Moondogs Musik nun mal geschrieben ist, auf ungewohnte Weise darzubieten (Am Wriezener Bahnhof 70, 20 Uhr, VVK 16,90 €).
Wer statt westlicher Stimmung eher ungewöhnliche Tonabstände bevorzugt, kann sich am selben Tag im Acker Stadt Palast beim Festival Sound-Plasma verwöhnen lassen. Das steht ganz im Zeichen der mikrotonalen Musik. Statt Original-Gamelan spielt man allerdings Avantgarde-Komponisten wie den US-Amerikaner Alvin Lucier, den Italiener Giacinto Scelsi und ganz besonders den rumänischstämmigen Franzosen Horatiu Radulescu, der in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden wäre. Sie alle teilten ein Interesse, an, grob gesagt, schrägen Tönen, die in der Regel jedoch höchst präzise berechnet und alles andere als unsauber sind. Bis Samstag zu erleben (Ackerstr. 169, 18.30 Uhr, 8–15 €, www.sound-plasma.com).
An den Musikhochschulen lernt man den Jazz ja, indem man Aufnahmen von John Coltrane und Konsorten hört, deren Soli abschreibt und dann nachzuspielen versucht. Gehört zumindest zur Ausbildung. So ist vielleicht zu erklären, woher die Idee zu einem Abend kam, an dem Musikerinnen ihre Auftritte im Dialog mit Schallplatten von Größen wie Albert Ayler oder Charlie Parker bestreiten. „(re)Shaping Jazz to Come“ heißt die Veranstaltung am Samstag im Ausland, zu der sich etwa die Pianistinnen Andrea Parkins und Liz Kosack und die Vibrafonistin Els Vandeweyer angekündigt haben. Allesamt gestandene Improvisationskünstlerinnen, die auf den Beitrag der toten Kollegen keinesfalls angewiesen wären. Eigentlich ein schöner ironischer Kommentar zum Musikerdasein im Schatten von Giganten, die man sich so mal eben auf Augenhöhe holt (Lychener Str. 60, 20.30 Uhr).
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