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Flüsseund Bärte

Das Cover sieht etwas furchterregend aus. „Blood Red“ heißt das erste Album des Berliner/Londoner Duos Egopusher, und entsprechend sind auf dem Titelbild viele blutrot eingefärbte Gesichter zu sehen. Aber vielleicht ist es ja auch bloß eine Halloween-Maskerade. Denn die Musik hat so gar nichts Blutrünstiges. Im Gegenteil, Tobias Preisig und Alessandro Giannelli, die beiden Menschen hinter Egopusher, legen einen Klangteppich aus, auf dem man schön vor sich hin meditieren oder in die Wolken gucken kann. Geiger Preisig und Drummer Giannelli haben über die vergangenen Jahre in Improvisationen zueinander gefunden, herausgekommen ist nun ein minimalistischer Sound, der auf geschlagener und gestrichener Violine, zurückhaltendem Schlagzeug und pluckernden, repetitiven Beats besteht. Eine Am­bient-Dance-Klassik-Kraut-Mischung, falls es so etwas gibt. Insbesondere bei so zurückgenommenen, instrumentalen Arrangements besteht ja schnell die Gefahr, dass einem langweilig wird – Egopusher wirken dem mit akzentuiertem Spiel entgegen. Sehr selten wird es (post-)rockig, ansonsten bleibt das musikalische Leben der Egopusher ein ruhiger, langer, auch mal clubbiger Fluss.

Über lange Haare, über Bärte, über Siebziger-Rock muss man dagegen reden, wenn man von Kadavar spricht, einer der erfolgreichsten jüngeren Rock-/Metal-Gruppen deutscher Provenienz. „Rough Times“ heißt deren neues Werk. Auch auf dem Cover dieses Albums ist übrigens eine Maske auf ein Gesicht collagiert. Eine Totenkopfmaske, stimmigerweise. Bei allen Qualitäten, die die Band mit dem Wallehaar hat – tolle Produktion, super Songwriting, 1-a-Handwerk –, bleibt das Problem, dass sie im Prinzip mehrere Rock-Epochen nur zitieren. Dem begegnen sie, indem sie möglichst viele Stile abdecken: Classic-, Psychedelic- und Progrock, Doom und Death Metal, gar Songwriter und Spoken Word. Diese Bandbreite ist schon beeindruckend. Dass Kadavar gute Jungs sind, zeigt sich darin, dass sie in diesen „Rough Times“ eines rechtskonservativen Backlashs ihren Auftrag darin sehen, die emanzipatorischen Errungenschaften der Elterngeneration zu verteidigen. Like.Jens Uthoff

Egopusher: „Blood Red“ (Irascible/Cargo) | Kadavar: „Rough Times“ (Nuclear Blast), live: 18. 11. Columbiahalle

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