das portrait
: Courtney Love hat es nicht nur gewusst – sie hat es auch gesagt

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Fangen wir zur Abwechslung hinten an – mit der Moral. Sie lautet nicht: Gegen mächtige Männer kannst du nur verlieren, also lass es gleich bleiben. Täter zu schützen, sollte nie am Ende einer Geschichte stehen. Die Moral ist vielmehr: Wir, die Öffentlichkeit, hätten es wissen müssen – hätten wir ein bisschen besser zugehört.

Es geht um Courtney Love, deren Warnungen ungehört blieben. Sie ist Sängerin, Gitarristin und Schauspielerin. Mit Yoko Ono teilt die 53-Jährige das Schicksal der Witwe eines berühmten Musikers.

1994 nahm sich Loves Ehemann, der Nirwana-Frontmann Kurt Cobain, das Leben. Sie sagte daraufhin die Tournee ihrer eigenen Band Hole ab, die ihr zum großen Durchbruch verhelfen sollte.

1997 war sie dann doch ganz oben angekommen. Sie spielte in „Larry Flynt – Die nackte Wahrheit“ die Ehefrau des gleichnamigen Porno-Verlegers und verschlug den Kritiker*innen den Atem mit ihrem fragilen und gleichzeitig so brutalen Spiel, für das sie mindestens eine Oscar-Nominierung verdient hätte. Sie glänzte in dieser Rolle, während die Augen der Öffentlichkeit ihr Leben gierig begafften: Der Mann war tot, die Karriere dahin, ein Drogenentzug folgte dem anderen, dazu kam der Rechtsstreit um das Erbe sowie um das Sorgerecht für die Tochter.

Es ist das Jahr 2005, als das echte Leben sie in der Nebenrolle der antiken Seherin Kassandra besetzt. Seit Kurzem schwirrt eine kleine Szene von damals durch das Netz, eine halbe Minute Interview auf dem roten Teppich. Eine Reporterin des Promiportals TMZ fragt sie: „Was würden Sie jungen Frauen raten, die nach Hollywood ziehen?“ Love blickt sich kurz um. Es scheint, als wisse sie sofort, was sie antworten will. Doch sie zögert, sagt, sie werde bestimmt wegen Verleumdung verklagt, wenn sie das jetzt ausspreche, und sagt es dann doch: „Wenn dich Harvey Weinstein ins Vier Jahreszeiten zu einer privaten Party einlädt – geh nicht hin.“

Love hat den Clip vor ein paar Tagen auf Twitter verlinkt. Da drang schon durch, dass sich in Hollywood eigentlich niemand mehr glaubhaft unwissend stellen kann. Harvey Weinstein hat jahrzehntelang Gewalt gegen Frauen ausgeübt – und sein Umfeld hat ihn geschützt.

Courtney schrieb auf Twitter, dass ihre Aussage damals ein Nachspiel gehabt habe: Obwohl sie selbst kein Opfer von Weinstein gewesen sei, habe die mächtige Hollywood-Agentur CAA sie daraufhin gesperrt. CNN fragte bei der Agentur nach, die diese Aussage nicht bestätigte. Man wisse nicht, wovon Courtney Love spreche.

Die „Star Wars“-Schauspielerin Carrie Fisher, die 2016 verstarb, hatte sich auch einmal gegen einen mächtigen Mann gewandt. Ein Filmproduzent belästigte ihre Freundin, die Drehbuchautorin Heather Rose. Daraufhin schenkte Fi­sher ihm eine Schmuckschatulle, darin eine abgeschnittene Rinderzunge, erinnert sich Rose in einem Radiointerview. Es sollte ihm eine Warnung sein. Das nächste Mal sei ein noch kleinerer Teil von ihm dran. Amna Franzke