KOLUMBIEN: HOHE HÜRDEN FÜR JEDE VERHANDLUNGSLÖSUNG: Friede den Feinden
Frieden wird nicht zwischen Freunden, sondern zwischen Feinden geschlossen, hat Israels früherer Premierminister Jitzhak Rabin einmal gesagt. Wenn dieser Satz stimmt, dann sind die Aussichten für Kolumbien besser, als es viele Kritiker von Präsident Álvaro Uribe einräumen möchten. Seit mehr als vier Jahrzehnten wird das Land von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt, inzwischen als letztes auf dem amerikanischen Kontinent. Und kein kolumbianischer Staatschef hat die Guerilla entschiedener bekämpft als eben Uribe.
Vor allem dieser Vehemenz verdankt er seine immer noch überraschend hohe Popularität – zumal seine Großoffensive gegen die Farc-Guerilla nicht sehr erfolgreich ist. Doch der eigentliche Politiktest steht dem autoritären Hardliner erst jetzt bevor: Will und kann er mit den Linksrebellen in einen Friedensprozess eintreten, bei dem beide Seiten zu Zugeständnissen bereit sind?
Chancen dafür gibt es derzeit nur bei der ELN (Heer zur nationalen Befreiung), auf die der Präsident jetzt verbal zugegangen ist. Denn sie ist militärisch schwächer, viel weniger in das Drogengeschäft verwickelt und zudem an politischen Spielräumen interessierter als die fast ausschließlich machtpolitisch agierenden Farc. Doch selbst gegenüber der scheinbar unversöhnlichen Farc-Führung um den greisen Kommandanten Manuel Marulanda könnte ein gelungener Gefangenenaustausch Vertrauen schaffen. Eine Verhandlungslösung wird allerdings nur möglich, wenn Uribe die rechten Paramilitärs und ihre Drahtzieher im Establishment in die Schranken weist, anstatt ihnen Straflosigkeit und das Recht auf illegal angehäufte Reichtümer zu garantieren.
Der gewiefte Machtpolitiker Uribe könnte von einer wirklichen Friedenswende mehrfach profitieren. Wahltaktisch – vorausgesetzt, das Verfassungsgericht segnet demnächst die Möglichkeit einer zweiten Amtszeit ab. Sozialpolitisch – die Milliarden, die in den Krieg fließen, wären beim Abbau der extremen Ungleichgewichte in Kolumbien besser angelegt. Und schließlich außenpolitisch – in Südamerika steht er als treuster Gefolgsmann der Regierung Bush allein auf weiter Flur, die europäischen Regierungen sind uneins.
Uribes Anliegen, jetzt von der Europäischen Union einen Freibrief für seine dubiose Politik gegenüber den Paramilitärs zu bekommen, ist zu Recht umstritten. Nun hätte der Europäische Rat die Chance zu einer sinnvollen Intervention: Unterstützung für Kolumbiens Regierung darf es nur geben, wenn Uribe den Frieden mit seinen Feinden sucht – mit Taten. GERHARD DILGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen