Die Wahrheit: Scooterman und die Summtür
Seit mindestens sechs Wochen war die automatische Tür defekt. Zeit für einen Ausbruchsversuch, Sachschäden inbegriffen.
S cooterman saß schlecht gelaunt auf seinem Elektroscooter und machte sich Gedanken. Die letzten Tage war er mehr oder weniger in seiner Wohnung eingesperrt gewesen. Oder zumindest in seinem Haus. Die Glastür, die ihn noch von der Straße trennte, war seit mehreren Monaten nicht geputzt worden. Also konnte er nur erahnen, dass draußen Dauerregen auf die Straße prasselte. Seit drei Tagen schon. Gute Zeit zum schlecht gelaunt sein also.
Aber irgendwann reichte es auch mal, in der Wohnung auf besseres Wetter zu warten. Also fuhr er mit seinem Handrollstuhl zum Rollstuhlwechselraum im Erdgeschoss. Dort wechselte er auf seinen Elektroscooter. Und nun stand er vor der Tür zur Straße, direkt vor den metallenen Briefkästen.
Eigentlich war die Haustür eine pfiffige Erfindung. Wenn man nämlich einen Generalschlüssel in ein Schlüsselloch in der Wand einführt, und dann um neunzig Grad nach rechts dreht, dann schwingt die schwere Glastür auf. Eine halbe Minute hat man dann Zeit, in aller Ruhe auf die Straße zu rollen, dann schwingt die Tür geräuschlos, fast majestätisch gar, wieder zu. Seit mindestens sechs Wochen war die Tür allerdings defekt. Wenn man versuchte, sie mit dem Schlüssel zu aktivieren, summte sie zwar ein wenig, bewegte sich aber nicht vom Fleck. Ein Fall für die Hausverwaltung, sollte man meinen.
Da die Tür schon seit einigen Wochen defekt war, bedeutete die Kontaktaufnahme mit der Verwaltung vor allem: Warten. Denn etliche Angestellte waren in Urlaub. Und die Firma, die die Türöffner produziert, hat ihren Stammsitz irgendwo in Süddeutschland. Konkurrierende Anbieter schien es nicht zu geben. Nach drei Wochen war also das Ersatzteil da, und der Türöffner funktionierte tadellos. Jedenfalls für drei Tage. Dann war er wieder kaputt. Die neue Bestellung ging zwar schon am nächsten Tag raus, trotzdem wurde Scooterman das Gefühl nicht los, seit einiger Zeit in einer Welt zu leben, in der zwar alles genauestens geplant ist, aber nichts mehr funktioniert.
Die Brötchen, die wir morgens essen, werden als „Teiglinge“ in China produziert und über Nacht eingeflogen. Die Krabben werden direkt vom Kutter nach Marokko zum Pulen geflogen. Aber morgen haben wir sie wieder zurück.
„So geht das einfach nicht mehr weiter!“, hörte Scooterman sich rufen. Röhren fast. Mit der rechten Hand rammte er den Schlüssel in das Loch zu seiner Rechten. Tatsächlich öffnete die Tür sich diesmal. Und blieb wieder stecken, kaum hatte sie ein Drittel ihres Weges geschafft. Aber nicht mit Scooterman! Seine Linke umfasste den Türgriff und riss sie mit purer Gewalt auf.
Von den Ereignissen überwältigt, gab er Strom. Der Scooter rollte frontal gegen die Briefkästen. Der unterste von ihnen säbelte den Deckel seines Kofferraumkastens ab. Ein hoher Preis. Den die Versicherung vermutlich nicht bezahlen wird. Aber immerhin. Gibt es eigentlich schon Vielflieger-Bonusmeilen für Nordseekrabben?
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