Bilanz von „Xavier“ in Berlin: Die Stadt ordentlich durchgewirbelt
Bahn und S-Bahn fahren weiter unregelmäßig, Tausende bleiben am Hauptbahnhof hängen. Vor Besuchen auf Spielplätzen und in Wäldern wird gewarnt.
Die Spur der Verwüstung, die „Xavier“ hinterlassen hat, lässt sich am Freitag bequem – und sicher – vom Oberdeck des M29 aus beobachten: Allein auf der Strecke zwischen Hermannplatz und Checkpoint Charlie hat der Sturm drei große Straßenbäume umgenietet. Auf der Reichenberger Straße ist ein weißer Kleinwagen unter einer imposanten Kastanie vergraben, am Spreewaldplatz ist ein umgekippter Riese nur knapp am Wellenbad vorbeigeschrammt. Ungezählte, teils mehrere Meter lange Äste liegen überall auf den Gehwegen, am Straßenrand.
Es wird noch Tage dauern, bis die Folgen des Sturms nicht mehr zu sehen und zu spüren sein werden. „Stück für Stück abarbeiten“ werde man das Chaos, sagte ein Sprecher der Feuerwehr, und empfahl Autofahrern, vorsichtig unterwegs zu sein.
Gewarnt wurden auch die Besucher von Grünanlagen und sogar von Spielplätzen. „In allen Waldgebieten und Parkanlagen sind Bäume umgestürzt, und auch in den kommenden Wochen ist mit herabstürzenden Ästen oder Kronenteilen zu rechnen“, zog Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) Bilanz. „Ich appelliere an alle, zu ihrer eigenen Sicherheit am kommenden Wochenende Wald- und Parkbesuche zu vermeiden.“ Der Museumspark des Deutschen Technikmuseums bleibt wegen Sturmschäden bis Dienstag geschlossen, die Schlossgärten in Berlin und Brandenburg sind bis mindestens Montag zu.
Am Freitag normalisierte sich der Nahverkehr langsam, nachdem am Donnerstagnachmittag sowohl Bahn wie S-Bahn und auch die BVG fast alle Verbindungen eingestellt hatten – teils für einige Stunden, teils weit darüber hinaus. Während die BVG schon früh am Freitagmorgen einen weitgehend störungsfreien Betrieb organisieren konnte, empfahl die S-Bahn von sich aus, auf Alternativen umzusteigen. „Das ganze Netz in der Region ist massiv eingeschränkt. Wir haben zahlreiche Bäume auf den Gleisen, Kolonialismusbeschädigte Oberleitungen und abgeknickte Fahrmasten“, sagte ein Sprecher. Die Reparaturen sollten den ganzen Tag dauern. S-Bahnen, die noch fuhren, waren besonders im Berufsverkehr überfüllt.
18 Flamingos im Zoo getötet
Am Hauptbahnhof drängten sich mehrere Tausend Menschen, die tags zuvor dort wegen Ausfall von Zügen hängen geblieben waren und in Hotels oder extra bereitgestellten Zügen im Untergeschoss des Bahnhofs hatten übernachten müssen. Am Freitagmittag nahm die Bahn den Fernverkehr von Berlin Richtung Leipzig und weiter nach München wieder auf; die Strecken nach Hamburg und Hannover blieben aber vorerst weiter gesperrt. Alle Mietwagen am Bahnhof waren ausgebucht.
Reihenweise umgekippte Bäume, dicke Äste, die vom Stamm brechen: Sturm "Xavier" hat vielen Bäumen in der Region Berlin-Brandenburg keine Überlebenschance gelassen. "Egal ob alt oder jung, klein oder groß, mit Nadeln oder Blättern, das Unwetter machte kaum Unterschiede", sagte der Andreas Jende, Geschäftsführer des Landes Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg, am Freitag.
Zumeist sind nach seinen Angaben die Böden durch den vielen Regen in dieser Saison schon zu nass und durchfeuchtet. Die Wurzeln fanden kaum noch Halt ließen bis zu 20 Meter Bäume einfach auf die Seite fallen - zusammen mit dem Wurzelballen aus der Erde. "Wenn dann starker Wind bläst, können sie dem Druck nicht mehr standhalten", sagte er. Zudem wurde meist das Laub noch nicht abgeworfen. Damit sei der Widerstand größer als bei einem kahlen Astwerk.
In vielen Fällen sei auch die Vitalitätsgrenze erreicht, sagte Martin Rohde, Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. "Stress in den vergangenen Jahren, widrige klimatische Bedingungen und Krankheiten haben die Lebenskraft vielfach erlahmen lassen", sagte er. Dann reiche ein stärkerer Sturm. Auch nicht fachgerechte Baumschnitte könnten oft mehr Schaden als Nutzen anrichten, sagten die Experten. (dpa)
Eine Frau kam am Donnerstag in Tegel um, als ein Baum in der Straße Schwarzer Weg nahe dem Tegeler See auf das Auto stürzte, in dem sie saß. Zwei Frauen, die sich ebenfalls in dem Fahrzeug befanden, wurden verletzt. Weitere Unfälle mit Verletzten gab es in Köpenick und in Plänterwald.18 Flamingos im Zoo getötet
Im Zoo wurden 18 Flamingos von herabfallenden Ästen getötet. „Wir sind sehr traurig mitteilen zu müssen, dass wir trotz aller Vorkehrungen Tiere verloren haben“, erklärte der Zoo am Freitag. Die große Gruppe der insgesamt 80 Flamingos habe sich am Donnerstag nicht in ihre Stallungen bewegen lassen. Normalerweise brauche es dafür mehrere Tage Vorlauf, weil die Tiere sehr sensibel seien.
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