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Die Stimme aus dem AuslandÖde Kampagne

Kolumne
von Grigori Pyrlik

Ohne Konfrontation Gut gegen Böse: In der Ukraine, wo WählerInnen gern mit Buchweizengrütze gekauft werden, interessiert die Bundestagswahl kaum.

Kriegsgebiet Donbass: Die Ukraine hat andere Sorgen, als eine deutsche Wahl Foto: dpa

N ach der Arbeit sitze ich mit meiner Nachbarin in der Küche, und wir sprechen über unsere Pläne für den Abend. Sie ist Journalistin und auf der Suche nach Arbeit in die ukrainische Hauptstadt Kiew gekommen. „Ich sitze gerade an einem Bericht über die Wahlen in Deutschland“, sage ich. Sie: „Was, dort wird gewählt? Habe ich gar nicht gewusst.“

Diese Äußerung sagt viel darüber aus, wie ukrainische Medien mit dem Thema Wahlen in Deutschland umgehen. Am Dienstag dieser Woche war dem führenden Internetportal Ukrainska Pravda Deutschland eine Nachricht wert. Dabei ging es nicht um die bevorstehenden Wahlen, sondern um den Vorschlag von Außenminister Sigmar Gabriel, die Sanktionen gegen Russland herunterzufahren, sollte eine UNO-Mission im Donbass erfolgreich sein.

Auf der Website der staatlichen Nachrichtenagentur Uk­rinform wird Deutschland an diesem Tag unter den Rubriken Sport und Unterhaltung abgehandelt. Und auf den gesellschaftspolitischen Seiten wird das Thema wenig gelesen. So verzeichnet der Bericht von Hromadske Radio „Wie werden die Wahlen in Deutschland verlaufen?“ gerade einmal 62 Aufrufe.

„Bei diesen Wahlen gibt es keine Intrigen, es gibt keine klare Konfrontation guter gegen böser Kräfte – so wie bei den Wahlen in den USA. Der Favorit steht auch schon fest: die Partei von Angela Merkel“, schreibt der ukrainische Journalist Bogdan Miftachov, der die Bundestagswahlen für das Portal Delo verfolgt und etwas gelangweilt ist. Jamaika sei die ideale Variante für die Ukraine – mit einer Kanzlerin Angela Merkel und einem Außenminister Cem Özdemir.

Beeindruckt vom Wahl-O-Maten

Nach ukrainischen Maßstäben ist die Wahlkampagne in Deutschland wirklich öde. Hier wäre jemand eine Woche vor den Wahlen bereits durch den Schmutz gezogen, Wähler mit Buchweizengrütze gekauft und Wahlauftritte unterbrochen worden.

Beeindruckt ist Miftachov jedoch davon, wie man Wähler an die Urne locken will. Zum Beispiel mit dem Wahl-O-Mat, wo der Wähler gefragt wird, welche Punkte in einem Parteiprogramm ihm am meisten entsprechen. In der Ukraine hingegen seien die Wähler vielfach bereit, ihre Stimme gegen Geld abzugeben – oder sie hätten überhaupt kein Interesse an Politik, meint Aleksandr Chara, Experte für Außenpolitik. „Arme sind leicht zu führen. Wenn ein Mensch Besitz hat, der auf dem Spiel steht, wird er seine Wahl bewusster treffen. Das ist eine Art politischer Kultur, die es bei uns nicht gibt“, sagt er.

Der Unterschied zwischen der Ukraine und Deutschland zeigt sich übrigens auch bei der Wahlbeteiligung. 2014 gaben in Erwartung tiefgreifender Veränderungen in der Ukraine 52,42 Prozent ihre Stimme ab. Bei den Bundestagswahlen 2013 waren es 71,5 Prozent.

Übersetzung: Barbara Oertel

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