piwik no script img

Liberale sieben ausBei der FDP nicht erwünscht

Leslie Pumm ist jung, schwul, schwarz. Er hat schon mal die FDP aufgemischt und trat dann aus. Jetzt will ihn die Partei nicht mehr. Er vermutet: aus rassistischen Gründen.

So wirbt Leslis Pumm für sich als Musiker Foto: LARecords

So, sollte man meinen, muss man reden, wenn man in der FDP was werden will: „Ich sympathisiere prinzipiell mit den Freiheitsgedanken total“, sagt Leslie Pumm. „Liberale Werte“ und das „Credo Eigenverantwortung und offene Gesellschaft“ findet er auch spitze. Klare Sache, also. Die FDP in Berlin aber will Pumm, 23, schwul und Sohn eines schwarzen US-Soldaten, trotzdem nicht. Die Partei und ihre Jugendorganisation verwehrten dem Sänger kurz vor der Wahl den Beitritt. Warum?

„Kein Kommentar“, sagt Helmut Metzner, Sprecher der Landes-FDP, auf Anfrage, bestätigt aber die Ablehnung des Aufnahmeantrags. Auch Pumm hat den Grund nie erfahren. Doch er denkt, er kenne ihn: „So liberal, wie die Partei sich gibt, ist sie nicht. Jemand wie ich – das ist denen dann doch zu viel.“

Kurz vor der Bundestagswahl sitzt er in einem Café am Europaplatz am Hauptbahnhof; zwei Ecken weiter verkauft er Smartphones, den Rest der Zeit arbeitet er an seiner Musikkarriere. Er holt etwas weiter aus. Pumm war schon mal in der Partei: Im zarten Alter von 16 trat er dem FDP-Kreisverband Potsdam-Mittelmark bei. Ein „Fan von Guido Westerwelle“ war er damals, wurde Sprecher der Jungen Liberalen und Mitglied im Kreisvorstand der Partei. Es war eine gute Zeit, sagt Pumm – so lange er keine ernsthaften Ambitionen zeigte.

Kurz vor der Wahl 2013 änderte sich das: Pumm wollte in den Bundestag. „Das war mein Traum.“ Dafür zog er einen Nachwuchspolitiker-Wahlkampf ab, wie die FDP in Potsdam wohl noch keinen erlebt haben dürfte. Seine Hautfarbe, die Homosexualität, sein Beruf – er war Azubi im Sexshop seiner Mutter: ein größerer Kontrast zu den Barbourjacken-Jungliberalen war kaum vorstellbar.

So stürzten die Medien sich auf ihn – und Pumm auf die Medien: Die Bild („Tagsüber verkauft er Pornos“) druckte ein großes Foto von ihm mit einer Sexpuppe unterm Arm. Da war er 18. Das ZDF lud ihn zu „Ich kann Kanzler“ ein. Pumm durfte sich mit seinen „Ideen für Deutschland“ – Wahlalter 16, Ehe für alle – als „perfekter Nachwuchkanzler“ empfehlen.

In der Partei kam Pumms Treiben eher mäßig an. Auf dem entscheidenden Parteitag ließen ihn die Delegierten in allen drei Wahlgängen durchfallen. „Einfach nur Show“, erklärte das einer der Delegierten.

Pumm wurde zugetragen, Teile des Kreisvorstands seien der Meinung gewesen, in Brandenburg könne man keinen schwarzen Kandidaten aufstellen. Die Partei hatte „Angst vor einem solchen Profil, einem alternativen Lebensentwurf“, glaubt Pumm heute. Aber: „Face to face habe ich nie ein böses Wort gehört, das macht man in der FDP nicht.“

Face to face habe ich nie ein böses Wort gehört, das macht man in der FDP nicht.

Leslie Pumm

Bald darauf habe er „den Cut gemacht“, sagt er. 2014 trat er aus, zog nach Berlin, schaute sich bei den Piraten um und einer FDP-Abspaltung, den Neuen Liberalen. Aber das war nichts für ihn. „Ich wollte mich politisch engagieren, aber das geht nicht mit Parteien, die tot sind.“

Als die Bundestagswahl 2017 näher rückte, wollte er zurück. Auch wegen Christian Lindner. In dem kürzlich aufgetauchten Video, das den heutigen FDP-Chef als absurd ehrgeizigen Jung-Unternehmensberater zeigt, hat Pumm sich ein Stück weit selbst wieder erkannt. „Mit 17, 18 hatte ich auch gerne Anzüge an, die waren auch hässlich, und ich hab auch so einen geschwollenen Schwachsinn geredet“, sagt er. „Wenn man so jung ist, ist das normal.“

Heute aber spreche Lindner „sehr viel von zweiten Chancen und scheitern dürfen“, sagt Pumm. Er dachte, das müsste auch für die FDP selbst gelten. Am 10. Juli schickte er einen Aufnahmeantrag. Ende August kam die Antwort: abgelehnt. Auf Facebook konnte er lesen, wie ein Junger Liberale dazu schrieb: „Wenn man mal Filzläuse hatte und die wieder los ist, passt man halt besser auf, wen man sich ins Bett holt.“ Andere FDP-ler markierten „gefällt mir“. Das sei „AfD-Sprech“, findet Pumm.

Aus der Partei ist zu hören, sein „Medienappeal“ und seine Ausflüge zu anderen Parteien seien nicht gut angekommen. Pumm glaubt, er passe nicht in dieses „deutschbürgerliche Bild“, deshalb werde „wieder was hochgespielt aus meiner angeblich schmutzigen Berufsvergangenheit“. Dass die FDP so ist, ärgert ihn. Lindner sei progressiv, der Rest der Partei rückwärtsgewandt, „in einigen Landesverbänden schon fast rassistisch und homophob“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!