: Leinwand statt Beton
Kunst Laut Selbstbeschreibung ist es die weltweit einzigartige Institution für Ausstellungen, Forschungund Austausch zur urbanen Kunst: Urban Nation wurde vor wenigen Tagen in Schöneberg eröffnet
von Beate Scheder
In einem seiner raren Interviews mit dem Guardian hat der bekannteste unbekannte Streetart-Künstler Banksy einmal gesagt, ein Museum sei ein schlechter Ort für Kunst: Denn der schlechteste Kontext für Kunst sei andere Kunst. Auch von der Vereinnahmung durch das Kapital sollte sich Graffiti-Kunst fernhalten: „Der Kunstmarkt fördert sicherlich keine Kreativität.“
Banksy hat gut reden. Seine Schablonenbilder hängen mittlerweile bei Privatsammlern wie Brad Pitt zu Hause, aus Häuserwänden geschlagene Banksys erreichen bei Auktionen Millionenbeträge, und er selbst lebt gut von Büchern, DVDs, Drucken und Auftragsarbeiten. Die Szene, Banksys Beispiel ist dafür ein Symptom, hängt fest im Spannungsfeld zwischen Kunst, Kommerz und Selbstverständnis: Die einen kämpfen um die Etablierung des Genres in Kunst und Kunstmarkt, andere lassen sich für gutes Geld von Lifestyle-Marken einspannen, von irgendetwas müssen sie leben, wieder andere sorgen sich aufgrund dieser Entwicklungen um die Authentizität der urbanen Künste.
Yasha Young gehört zweifellos zur erstgenannten Gruppe. Im Jahr 2013 gründete die deutsch-amerikanische Galeristin und Kuratorin das Projekt Urban Nation. Zunächst organisierte sie Ausstellungen oder Wände, die von Künstlern bemalt werden konnten, meist von der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag zur Verfügung gestellt, die Urban Nation mitfinanziert. Großes Ziel war dabei stets die Gründung eines Museums für Urban Art. Erreicht wurde dieses Ziel vor Kurzem, am 16. September. Da eröffnete die laut Selbstbeschreibung „weltweit einzigartige Institution für Ausstellungen, Forschung und Austausch zur urbanen Kunst“ ihre Türen.
Das Museum versteht sich als „kollektives Gedächtnis einer zeitgenössischen urbanen Kunst“, als einen Ort also, wo die auf Vergänglichkeit ausgelegte Kunst – im öffentlichen Raum kann sie jederzeit verändert oder zerstört werden – für die Nachwelt bewahrt und eingeordnet werden kann. In den Räumen finden Ausstellungen statt, außerdem ist dort Platz für die Martha Cooper Library. Die US-amerikanische Fotografin, die seit 1971 die HipHop- und vor allem Graffiti-Kultur dokumentierte, überließ dem Museum einen Teil ihrer Sammlung, ein wahrer Schatz, geöffnet für Forschungszwecke. Weil Urban Nation aber auch ein lebendiger Ort des Austauschs sein will, sind Künstlerresidenzen, Workshops und pädagogische Formate angedacht.
So weit, so gut. Die Idee, der Geschichte der Urban Art nachzuspüren, hat ihren Reiz, gerade in Berlin, wo diese bis in die 1970er Jahre zurückreicht. Lebendige Orte für die lokale Szene gibt es einige, das Urban Spree zum Beispiel, ein Archiv fehlte bislang noch. Die Eröffnungsausstellung von Urban Nation, die unter dem Motto „UNique. UNited. UNstoppable.“ steht, wird ihrem Anspruch jedoch nicht gerecht. Sie will zu viel, nämlich alles: die Szene in ihrer Gesamtheit abbilden und einen Querschnitt durch unterschiedliche Vertreter, Genres und Techniken zeigen. Zehn Kuratoren bastelten am Konzept mit und wählten für den Innenraum 120 Künstler und 30 weitere für den Außenraum aus, darunter einige bekannte Namen, lokale Größen wie 1UP oder deerBLN und internationale Künstler wie Shephard Fairy oder Lora Zombie, querbeet durch alle Räume.
Untergliedert ist die Schau in zehn Genres wie Pop, Muster & Abstraktion, Aktivismus, Konzeptkunst oder Porträt, bestückt vor allem mit bemalten Leinwänden und anderen gerahmten Bildern. Eines davon stammt sogar von Banksy. Eine Ratte, die jedoch so klein ist, dass man sie in dem Bildermeer leicht übersieht. Und nicht nur sie: Selbst starke Positionen wie die des Street-Art-Pioniers Dan Witz – vertreten mit fotorealistischen Abbildungen von Lüftungsschächten – gehen in der Masse unter. Fokus? Fehlanzeige. Gerne hätte man eine Schau gesehen, die sich auf einzelne Aspekte oder Traditionslinien der Straßenkunst konzentrierte und diese vielleicht auch mithilfe der Bilder Martha Coopers aufdröselte. Stattdessen sieht alles schön bunt, aber auch etwas belanglos aus.
Die Ausstellung macht einmal mehr deutlich, was das größte Problem ist, wenn man Urban Art ins Museum verlegt: Sie verliert ihren Kern. Auf der Leinwand und ohne Kontexte ist von der subversiven Kraft, die sie im öffentlichen Raum, als Kommentar zu Lebensbedingungen heutiger Großstadtmenschen, haben kann, kaum mehr etwas zu verspüren. Zurück bleibt handwerklich gut gemachte Dekoration. Für den schnellen Konsum und ein paar Schnappschüsse für die sozialen Netzwerke mag das reichen, hängen bleibt aber zu wenig.
Urban Nation, Bülowstraße 7, 10783 Berlin
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