: Nepal rückt näher
Besuch Zur diesjährigen Fairen Woche hat El Puente Satyendra Khadgi eingeladen. Er ist Partner des fairen Handels, berichtet von seiner Arbeit und den Bedingungen vor Ort
Von Jana Janika Bach
Aus ihnen werden vielleicht einmal eine Kinderwollmütze, Modell „Panda“, oder geringelte Damen-Fingerhandschuhe: Noch perlenweiße Fäden, zu Bündeln aufgerollt, hängen über der Steinmauer zum Trocknen. Dahinter sind keine Teegärten oder die Gipfelketten des Himalaja zu sehen, sondern rote Ziegelhäuser. Die Kumbeshwar Technical School, kurz KTS, befindet sich im Kathmandu-Tal in Nepal und hat sich auf bunte Strickwaren spezialisiert. Aber auch die anderen Produkte ihres Sortiments wie Silberschmuck, Teppiche oder Möbel entstehen in sorgfältiger Handarbeit. Sie verkaufen sich gut auf dem lokalen Markt und an internationale Handelspartner. Denn sie sind sowohl unter fairen Bedingungen gefertigt als auch hochwertig.
Von Anfang an sei die Selbstfinanzierung Teil des Konzepts des Sozialunternehmens gewesen, so Satyendra Khadgi, Geschäftsführer des Kumbeshwar Trading Center, das sich um die Vermarktung und den Export der Produkte der KTS kümmert. Ebenso sei man der Vision treu geblieben, Chancengleichheit durch Aus- und Weiterbildungsangebote für alle zu schaffen sowie Arbeitsplätze für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. „Dazu gehören beispielsweise eine faire und sofortige Bezahlung“, so Satyendra Khadgi, „sowie eine Krankenversicherung, Altersvorsorge durch Vorsorgefonds, zinsfreie Kredite oder Stipendien.“
Als nepalesische Hilfsorganisation trat die KTS 1983 ursprünglich mit dem Ziel an, die Situation der wenig angesehenen Kaste der Newari im Kathmandu Valley zu verbessern. Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung richtete sie eine Grundschule ein. Eine berufsbildende Schule folgte 1987. Die meisten der hier Ausgebildeten, Hunderte Männer und Frauen, fanden Arbeit in neuen Berufen. Mittlerweile schließen sich ein Kindergarten und ein Waisenhaus an – getragen durch den Erlös der verkauften Waren aus der Kumbeshwar Technical School. Allein die Grundschule ist noch auf Spenden angewiesen.
Auch eröffnet die KTS Menschen mit einer Behinderung berufliche Perspektiven. Die Strickausbildung hingegen, die drei Monate dauert, soll familiäre und finanzielle Notsituationen überbrücken. Es sind vor allem Frauen, 99 Prozent, die von den Leistungen der KTS profitieren. Die Stärkung ihrer Unabhängigkeit durch das erwirtschaftete Einkommen ist ein Aspekt in einer Kette von positiven Effekten. Gemeinsam können Eltern etwa so ihre Kinder in der Ausbildung unterstützen. Die Zukunftsaussichten der nachrückenden Generationen verbessern sich langfristig.
Mit ihren Maßnahmen sorgt die KTS in der gesamten Region für einen sozioökonomischen Aufschwung: So stieg die Alphabetisierungsrate. Durch Kooperationen mit Selbstständigen und die Vergabe von zinsfreien Darlehen entstanden neue Werkstätten und weitere Arbeitsplätze. Ein Bewusstsein in Fragen der Gesundheit, Hygiene und bezüglich der Menschenrechte wurde geschaffen. Zur diesjährigen Fairen Woche hat El Puente, ein Handelspartner der KTS und Fairhandels-Organisation, Herrn Satyendra Khadgi eingeladen, um von seiner Arbeit und den Bedingungen vor Ort zu berichten.
Zwar bietet die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland bei 2.000 Veranstaltungen bundesweit vielen Menschen das Angebot, den fairen Handel kennenzulernen. Doch vor allem ist dieses breitgefächert, so Christoph Albuschkat vom Weltladen-Dachverband e. V. und in der Koordination der Fairen Woche. Sowohl ein erstes „Reinschnuppern“ werde ermöglicht als auch die tiefergehende Auseinandersetzung mit der Thematik bei Podiumsdiskussionen oder Vorträgen. Die Beiträge der Handelspartner seien hervorzuheben, so Albuschkat, die mit 100 Veranstaltungen pro Jahr Profundes beisteuert: „Wir laden jedes Mal etwa acht bis zehn Leute aus verschiedenen Ländern, meist sogar von unterschiedlichen Kontinenten ein, die dann bis zu zwei Wochen durch Deutschland touren, in Weltläden, Volkshochschulen oder Schulen sprechen.“ Wobei dies keine Einbahnstraße sein soll, sagt Albuschkat, sondern ein Dialog. Eine ganz besondere Gelegenheit, denn, so Albuschkat, „wann gibt es sonst schon die Möglichkeit, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, die deinen Kaffee anbauen?“.
Wer eingeladen wird, darüber beratschlagen und stimmen die Mitglieder ab, die zum Forum Fairer Handel zählen, ein Netzwerk, das die Faire Woche initiiert und zu dem insgesamt acht Organisationen gehören. Insbesondere werden 2017 die wirtschaftlichen Perspektiven für die ProduzentenInnen im globalen Süden in den Blick genommen.
El Puente ist es noch aus einem anderen Grund ein Anliegen, Nepal und die KTS in den Fokus zu rücken. „Wir verstehen unsere Arbeit als eine Art Dreisatz“, erklärt Nina Labode von der Organisation, „da wären der Import und Verkauf, dann der Kontakt zu unseren Handelspartnern, aber wir sehen unserer Aufgabe auch darin, aufzuklären, entwicklungspolitische Bildung zu leisten.“
Nepal, ein Krisenherd, bedarf noch immer einer besonderen Förderung, ergänzt ihre Kollegin Anna Wolf. Die Bilder gingen um die Welt. Damals, im April und Mai 2015, als die Erdbeben in Nepal etwa 9.000 Menschen das Leben kosteten, über 22.000 verletzt und 800.000 Häuser zerstört wurden. Das Beben hatte den Mount Everest um drei Zentimeter nach Südwesten verschoben. Besonders die Hauptstadt und das Kathmandu Valley waren betroffen, auch viele der Produzentinnen und Produzenten der Kumbeshwar Technical School verloren ihr Zuhause.
Durch Spenden konnte einiges wieder errichtet werden, erzählt Anna Wolf. Doch viel ist auch nach zwei Jahren noch im Aufbau. Ziel ist es, Aufmerksamkeit erneut zu generieren. „Für zwei Wochen ist es in den Medien“, so Wolf, „und dann ist es weg.“ So sei das immer. Für den Fairen Handel und seine Mitspieler gilt dies nicht, denn eines ihrer Grundprinzipien ist das der Nachhaltigkeit.
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