Finnisches Normalnull

Konzert 7:7 im Wild At Heart: Faarao Pirttikangas & Kuh-malahden Nubialaiset

Prinzipiell ist der Konzertbetrieb nicht darauf angelegt, eine numerische Gleichberechtigung herzustellen: also zwischen den Menschen, die auf und die vor der Bühne stehen. So einen Gleichklang wollen weder die Konzertveranstalter noch die Musiker, und das Publikum will ihn auch nicht, weil es doch befürchten muss, dass dann ein stimmungsvolles Konzert, das schon etwas Masse braucht, kaum wirklich in die Gänge kommt.

Kam es aber doch, am Donnerstagabend im Kreuzberger Wild At Heart. Was natürlich an den sechs Musikern und der einen Musikerin der Band lag, die sich genauso vielen Menschen, also sieben, gegenübersahen. Deswegen hätte die Band, Faarao Pirttikangas & Kuhmalahden Nubialaiset, guten Grund gehabt, bei derartiger Missachtung ihres ersten Auftritts bei der ersten Deutschlandtour beleidigt zu sein und die Sache unwirsch runterrockend schnell zu einem Ende zu bringen.

Es wurde aber überhaupt nicht unwirsch gerockt. Nicht einmal beleidigt schienen sie zu sein, diese Finnen, die bereits in ihren Klamotten – Rüschenhemd, Anzugswesten, Melonen – wieder mal das Bild vermittelten, dass die Finnen vielleicht doch tatsächlich in einem Kaurismäki-Film leben.

Einigermaßen verschroben auch das Instrumentarium: Waschbrett, das Schlagzeug aufgemotzt mit einem Plastikkanister, einer spielte an einer recht antik ausschauenden Trichtergeige, während sich Frontmann Pekka alias Faarao Pirttikangas eine Kastengitarre umgehängt hatte. Manchmal schlenkerte er gekonnt unelegant mit dem linken Bein, mit aufgerissenen Augen und meckerndem Lachen gab er den Kinderschreck, schnarrte „Danke!“ nach den Liedern und versicherte treuherzig bei der Ankündigung eines Songs, bei dem es um den ersten finnischen Astronauten gehen sollte: „A true story!“

Ein Überprüfen wäre schwer gefallen. Gesungen wurde, was den Reiz gleich mal erhöhte, auf Finnisch, zu einem walzernden Blues, nachtschattigen Tango, psychedelisierter Folklore, dröhnenden Boogie und wieder zum schwer stampfenden Blues aus den Birkenwäldern. Sogar die melodische Färbung des äthiopischen Ethio-Jazz wurde reingeschmuggelt. Ein Irrwitz.

Was in Finnland aber wohl als musikalisches Normalnull gilt. Beste Unterhaltung. Jetzt muss man sich den Namen, trotz zungenbrecherischer Qualitäten, doch mal merken: Faarao Pirttikangas & Kuhmalahden Nu­bialaiset. Thomas Mauch