Seine schwierigste Mission

Radsport Der viermalige Tour-de-France-Gewinner Chris Froome steht vor seinem lang ersehnten ersten Vuelta-Gesamtsiegin Spanien. Doch ausgerechnet in der entscheidenden Phase fängt er an zu schwächeln. Die Entscheidung fällt am Samstag

Quälender Schlussanstieg: Froome kann seinen Konkurrenten nicht mehr folgen Foto: imago

Aus Suances Tom Mustroph

Man sieht es ja nicht oft bei Grand Tours, dass Chris Froome in den Bergen Zeit verliert. Der letzte Mittwoch in Spanien war aber so ein Tag. Auf dem räudigen Asphaltband, unterbrochen zeitweise von aufgerissenem Beton, das sich Asturiens steile Planken hinaufwand, musste der 32-Jährige mehr keuchen, als man es bei ihm auf Frankreichs gut ausgebautem Gelände kennt. Er musste zusehen, wie ihm ein Rivale nach dem anderen enteilte. Erst Alberto Contador, der Nimmermüde, der sich sechs Kilometer vor dem Ziel absetzte. Wenig später dann Vincenzo Nibali, der Gesamtzweite, Ilnur Zakarin, der Vierte. Sogar der nach Toursturz wieder genesene, durch eine Aufholjagd zuvor aber Kraft gelassen habende Bora-Kapitän Rafal Majka konnte Froome stehen lassen. Und selbst wenn Wilco Kelderman, Sunwebs neue Tour-Hoffnung, nicht mithalten konnte – dafür, um Froome auf Distanz zu halten, reichte es für den Gesamt-Dritten immer noch.

Froome half in diesem Fall nicht einmal die Power seines Teams. Fünf Helfer hatte er noch am Beginn des Anstiegs. Sie mussten gar nicht voll in die Pedale treten, denn ihr Kapitän konnte ihnen nicht folgen. Froome verlor so 1:46 Minuten. Zu seinem Glück konnte er sich am Tag zuvor beim Zeitfahren ein kleines Polster erarbeiten, dass er in der Gesamtwertung auf den Zweiten, Nibali, immer noch einen Vorsprung von über einer Minute hält.

Der Rückschlag war aber überraschend. Zur Götterdämmerungsstimmung trugen der Nebel und der feine Regen bei. Wenig Sicht, alles grau, Temperaturen, die frösteln ließen.

Das alles ist Froomes Sache nicht. Und so wird die Vuelta in ihrer letzten Woche doch wieder spannend. Froome selbst versuchte Panikgedanken zu verscheuchen. Frisch geduscht und mit sauberem Trikot erschien er zur Pressekonferenz und sagte staatsmännisch: „Es war ein sehr harter Tag, einer von diesen typischen steilen Vuelta-Rampen. Aber wir haben uns gut verteidigt. Meine Position ist immer noch hervorragend. Und ich denke, dass ich in den kommenden Tagen wieder zurückschlagen kann.“ Froome muss nur seinen Vorsprung verteidigen. Neben Nibali sollte er noch Kelderman und Zakarin mit zwei Minuten Rückstand und den Lokalmatador Contador mit sogar über drei Minuten Rückstand in Schach halten. Aber wer Froome am Los Machucos so leiden sah, der schaut gespannt zum Angli­ru. Der ist der größere Bruder in Asturiens Berglandschaft, länger, steiler und genauso unrhythmisch. „Bei dem Anstieg kommt es nicht darauf an, wie gut deine Beine wirklich sind. Du musst es dir verdammt gut einteilen, um nicht in den roten Bereich zu kommen. Es gibt so viele Details“, blickte Skys sportlicher Leiter, Nicolas Portal, auf die wohl entscheidende Etappe am Samstag.

„Meine Position ist immer noch hervorragend“

Chris Froome

Und Froome, nach dem überzeugenden Zeitfahrsieg am Dienstag recht siegessicher für die gesamte Rundfahrt, musste auf einmal kleinlaut zugeben: „Ja, es ist für mich offensichtlich schwerer, die Vuelta zu gewinnen als die Tour. Die Tour habe ich viermal gewonnen, die Vuelta bisher nicht.“

Dabei war dies sein ganz großes Saisonziel. Endlich das Double schaffen und zeigen, dass er mehr kann, als nur in Frankreich Siege holen. Zur Vuelta hat er eine besondere Beziehung. Sie war die erste große Rundfahrt, bei der sein Talent als Grand-Tour-Fahrer aufblitzte. 2011 war das, als er eigene Ambitionen für seinen Kapitän, Bradley Wiggins, aufgeben musste. Er wurde dennoch Zweiter, vor dem schwächelnden Chef. Danach kam er noch zwei weitere Male aufs Podium. Nie aber gelang ihm der Sieg. Der Brite pflegt daher stets von einem „unfinished business“, einem „noch zu erledigenden Geschäft“ in Spanien zu sprechen.

In diesem Jahr ging er dafür ein kalkuliertes Risiko ein: Er setzte seinen Formhöhepunkt etwas später als sonst, in die Endphase der Tour de France, um drei Wochen später bei der Vuelta auch noch auf einem hohen Niveau zu sein. In Frankreich ging das gut, selbst wenn er schwächer wirkte als bei seinen drei Siegen zuvor. Gut möglich aber, dass es in Spanien wieder nicht klappt, und das Vuelta-Geschäft unerledigt bleibt.