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Schlaflos in Karow

LÄRM Im Nordosten Berlins wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen zu laute Güterzüge

Ralf Driesener will seinen Kindern einmal sagen können, er habe es zumindest versucht. Er sagt, er sei Idealist. Er glaube daran, etwas verändern zu können, zumindest langfristig. Deshalb kämpft er. Sein Gegner: der Bahnlärm vom Güterbahngleis zwischen Heinersdorf und Zepernick im Nordosten Berlins.

Ralf Driesener, 53, ist Versicherungsmakler und Wertpapierhändler, vor allem aber ist er zweiter Vorsitzender der Bino, der „Bürgerinitiative Nord/Ost Gesund Leben an der Schiene“. Mit ihren 70 Mitgliedern setzt sie sich seit zweieinhalb Jahren für den Schutz der AnwohnerInnen vor krank machendem Schienenverkehr ein.

Das Problem, sagt Driesener, liege im Bestandsschutz, den die Bahn seit 1971 genieße, bei alten Strecken gebe es keine Verpflichtung zu Lärmschutzmaßnahmen. Und deshalb ratterten dauernd laute, alte Züge durch Karow und hielten die Leute vom Schlafen ab. Die leeren Kesselwagen seien die schlimmsten.

Ein bisschen anketten

Arvid Kämmerer von der Deutschen Bahn sagt, die Strecke sei gar nicht so stark befahren, wie es subjektiv wahrgenommen werde. Aber auch er zeigt Verständnis dafür, dass es unangenehm ist, zweimal pro Nacht von einem Güterzug aufgeweckt zu werden.

Neben dem Lärmschutz, sagt Driesener, gehe es der Bürgerinitiative auch um den Wert der Immobilien. Die Gebäude wiesen schon Risse auf, die durch die ständigen Erschütterungen entstünden. Wenn seine beiden Kinder, momentan zwei und vier Jahre alt, das Haus einmal erben, sollen sie dafür noch etwas bekommen.

Bei aller Kritik sei die Bino aber keinesfalls prinzipiell gegen Schienenverkehr, sagt Driesener. Weil es ökologisch sinnvoll sei, befürworte die Initiative sogar vehement die Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die Gleise. Nur müsste diese mit mehr finanziellen Mitteln für den „Schutz der Bürger“ einhergehen, sonst würden die sich von der Schiene abwenden, erklärt Driesener.

Die Bino will jetzt mit Messstationen entlang der Strecke gerichtlich verwertbare Daten zur Lärmbelastung erheben. Momentan gehe es um den Erfolg in Deutschland, langfristig seien aber auch „Züge aus Italien, der Ukraine oder sonst wo“ ein Problem, sagt Driesener. Denn die unterlägen noch viel geringeren technischen Standards als die deutschen.

Am Samstag wird es eine Kundgebung in Buch geben. Wenn 50 Leute kommen, sind Driesener und seine Bino-Mitstreiter zufrieden. Eine symbolische Gleisbesetzung sei geplant. Nicht der echten Gleise, sondern von eigenen. Denn gegen Schottern und Anketten habe sich die Bino auch ausgesprochen. Sie seien ja keine Krawallmacher, sagt Driesener. Dann wollen sie auch den Goldenen Lärmpegel vergeben. Einer der Kandidaten ist Udo Lindenberg. Weil er mit seinem Sonderzug nach Pankow das besang, was die Bino heute so nervt. NIKOLAI SCHREITER

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