heute in hamburg: „Man muss sich reinfuchsen“
Barrierefreiheit Heiko Kunert gibt Tipps zur Social-Media-Nutzung für Blinde und Sehbehinderte
40, Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V., Journalist und Blogger.
taz: Herr Kunert, ich möchte Ihnen das Interview nachher zur Autorisierung schicken. Wie machen wir das?
Heiko Kunert: Sie schicken mir eine ganz normale Email, so wie Sie das bei einem sehenden Interviewpartner auch machen würden. Dann liest mein Computer mir das vor – mit einer synthetischen Sprachausgabe. An meinem Computer ist zusätzlich eine Leiste angeschlossen. Da poppt der Bildschirminhalt zeilenweise hoch, dann kann ich das mit meinen Fingern abtasten.
Klingt die Computerstimme blechern?
Naja, sie ist sehr schnell eingestellt. Aber ich hab mich da so mit den Jahren reingehört.
Ich spreche Ihnen jetzt also zu langsam?
(Lacht.) Im menschlichen Kontext ist das natürlich okay. Ich kenne auch blinde Menschen, die ihre Hörbücher auf doppelter oder mehr Geschwindigkeit einstellen. Aber das mache ich nicht.
Sie sind der Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V. Was macht dieser Verein?
Wir kommen aus der Selbsthilfe, also von Blinden für Blinde. Wir machen Beratung von Menschen, die blind werden oder schon blind sind. Die Leute kommen also zu uns in Krisen. Wenn man zum Beispiel die Diagnose bekommt, blind zu werden, ist das ein tiefer Einschnitt im Leben. Dann zu sehen, wie die Leute durch die Beratung nach und nach wieder selbstständiger werden und Mut fassen, das ist eine große Freude.
Sind blinde Menschen in den sozialen Medien unterrepräsentiert, gerade weil viele die Möglichkeiten nicht kennen?
Ich kenne einige blinde Menschen, die sagen: Das ist mir alles zu kompliziert. Deswegen machen wir auch die Veranstaltung heute. Wenn man die sozialen Medien nutzen will, muss man sich da reinfuchsen. Man muss ab und zu andere Wege gehen, als ein sehender Mensch. Zum Beispiel nutzen viele blinde Menschen an ihren Rechnern die mobile Facebook-Seite. Die ist deutlich schlanker. Das muss man erstmal wissen.
Und das stellen Sie heute vor?Genau. Ich will ein bisschen Mut machen und die Angst nehmen. Weil das iPhone eine standardmäßige Sprachausgabe hat, ist es sehr barrierefrei. Jetzt haben wir im Verein eine Gruppe von Senioren. Die tauschen sich zum Thema iPhone-Nutzung aus. Das finde ich beachtlich.
Interviewdaniel TROMMER
„Social Media: Neue Chancen, neue Barrieren“, 18 bis 21 Uhr, Blinden- und Sehbehindertenverein, Holsteinischer Kamp 26
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen