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Hyper, hyper!

E-Roller Auch in China kommt das E-Auto nicht recht voran. Ganz anders sieht es beim motorisierten Zweiradverkehr aus

E-Scooter Foto: Mark Schiefelbein/dpa

PEKING taz | Auf dem Schild steht zwar „Fahrradladen“. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn angeboten werden keine Räder, bei denen man kräftig in die Pedale treten muss, sondern Roller und Mopeds. Wer nun wiederum an knatternde Zweitakter mit Auspuff denkt, liegt ebenfalls falsch. Verkauft werden die Zweiräder mit Elektroantrieb.

In Deutschland zerbrechen sich Experten den Kopf, wie sie den Anteil von Elektrofahrzeugen in deutschen Städten erhöhen können. In China gehört Elektromobilität längst zum Alltag. Elektroautos sind nicht gemeint. Trotz ehrgeiziger Ziele der Regierung stockt dessen Verkauf auch hier. Scooter und Mopeds mit Elektroantrieb rollen aber schon seit Jahren durch die smoggeplagten Städte.

Allein im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Statistikbehörde über 20 Millionen Elektroscooter verkauft worden. Rund 200 Millionen E-Roller soll es bereits geben. Für Europa geht der Branchenverband ACEM von einem Elektroanteil von gerade einmal maximal 2 Prozent aus.

Mit einer ­Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern schaffen die chinesischen Roller bis zu 100 Kilometer pro Ladung. Aufgeladen werden die abnehmbaren Akkus meist zu Hause über Nacht an einer normalen Steckdose.

Dass die Flitzer in China so verbreitet sind, ist den Worten des taiwanischen Verkehrsexperten Yang Chi-Jen zufolge einem „Politikunfall“ geschuldet. Keineswegs die gezielte Förderung von Elektrofahrzeugen habe den E-Rollern den entscheidenden Schub gegeben, sondern ein Verbot von Motorrädern.

Im Zuge des Wirtschaftsbooms konnten sich auch immer mehr Chinesen eigene motorisierte Fahrzeuge leisten. Doch noch bevor die in anderen asiatischen Metropolen weit verbreiteten Mopeds auch chinesische Großstädte erobern konnten, verhängte die chinesische Regierung ein Verbot auf benzinbetriebene Zweiräder. Ohne gute Beziehungen ist es für chinesische Großstädter nahezu unmöglich, eine Registrierung für ein Motorrad zu erhalten. Ein Nummernschild für den E-Roller ist hingegen sofort zu bekommen.

Viele Händler bieten zudem staatlich geförderte Prämien oder Rabatte an. Umgerechnet rund 200 Euro kostet im Schnitt ein Roller – für chinesische Käufer ein Schnäppchen. Und ein Parkplatz findet sich in den völlig überfüllten Städten wie Peking oder Schanghai mit einem Roller auch einfacher. Was der Regierung im Autoverkehr bislang nicht geglückt ist, gelang ihr beim motorisierten Zweiradverkehr: die nahezu komplette Umstellung auf Elektrogetriebe.

Mehrere Dutzend Anbieter buhlen in China um die Marktführerschaft. Einige davon planen die Expansion ins Ausland. Zusammen mit der österreichischen KSR Group plant der chinesische Anbieter Niu-Scooter den Aufbau eines flächendeckenden Händlernetzes in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Belgien. Dort wolle man pro Jahr rund 10.000 Roller verkaufen, heißt es.

Sosehr E-Roller für die smoggeplagten Großstädte in China ein Segen sind, für Fußgänger sind sie ein Fluch. Denn oft kommen sie fast lautlos um die Ecke geschossen. In Peking übersteigt die Zahl der Unfälle mit E-Rollern die der mit Autos. Zusammenstöße mit E-Rollern fallen aber allerdings meist glimpflicher aus. Felix Lee