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taz-Serie Neu-BerlinernDamaskus an der Sonnenallee

Er will die Stadt mitgestalten – und seine Steuern zahlt er gern. Im dritten Teil ihrer Serie trifft sich Henriette Harris mit dem syrischen Künstler Khaled Barakeh.

Aus Syrien gekommen, in Berlin zu Hause: Khaled Barakeh im Garten der Universität der Künste Foto: André Wunstorf

Es ist ein heißer Tag. Der Lieferwagen, der vor der Universität der Künste (UdK) hält, bringt ein Minimum an Schatten, also stelle ich mich daneben und warte auf Khaled Barakeh. Ein Mal haben wir uns bereits getroffen. Das war im Sommer vor zwei Jahren in Nordjütland beim jährlichen dänischen Kulturtreffen. Wir waren beide zu einer Debatte eingeladen, bei der es um Dänemark zwischen Provinzialität und Internationalität gehen sollte. Die erste Option hat gewonnen. Die Dänen insistierten nämlich, die Debatte auf Dänisch zu führen, und Khaled Barakeh hat kein Wort verstanden.

Ich habe Angst, dass er sich nicht erinnert, wie ich aussehe, wenn er mich überhaupt neben dem Wagen bemerkt, und ich schreibe: „Ich trage ein rotes Kleid.“ Die Antwort kommt sofort: „Bin gleich da. Ich trage ein weißes Kleid.“ Ich freue mich schon auf ihn.

Der syrische Künstler trägt tatsächlich Weiß, aber Hose und Hemd. Der 40-Jährige ist in einem Vorort von Damaskus aufgewachsen, hat an der Kunstakademie in Damaskus studiert, aber Syrien schon 2005 verlassen. Sein Weg führte über Paris und Kairo, wo er die damalige Direktorin der Kunstakademie der dänischen Insel Fünen kennengelernt hat. 2006 wurde er dort an der Kunstakademie aufgenommen, aber erst 2008 konnte er nach Dänemark kommen. So lange hat es gedauert, ein Visum zu erhalten. Nach zweieinhalb Jahren in Odense auf Fünen schloss Khaled Barakeh 2013 als Meisterschüler bei Professor Simon Starling an der Städelschule in Frankfurt am Main ab.

Durch die Brille gesehen

Vor einem Ausstellungsraum im Erdgeschoss der UdK hängen Sonnenbrillen auf einem Kleiderständer. Die Zuschauer sind eingeladen, sie auf die Nase zu setzen. Die dunklen Gläser sind mit dem Wort „Refugee“ beschriftet. „Als Flüchtling hat man oft das Gefühl, dass man von der Gesellschaft nur durch solche Brillen beobachtet wird“, erklärt Khaled. Im Raum sind Werke von elf Künstlern zu sehen, die alle in den letzten Jahren aus ihrer jeweiligen Heimat, zum Beispiel aus Syrien, Iran, Irak und Afghanistan, nach Deutschland geflüchtet sind.

Khaled Barakeh hat den Workshop „Same Same But Different – Artist Training: Refugee Class for Professionals“ zusammen mit einem anderen syrischen Künstler geleitet. Das Wort „Flüchtling“ musste dabei sein, um eine EU-Unterstützung zu erhalten. Die Künstler durften es aber auch durchstreichen. Sie möchten als Menschen wahrgenommen werden und nicht nur durch die Vorurteilsbrille gesehen werden.

Neu-Berlinern

Immer mehr internationale Zuzügler sind in den vergangenen Jahren nach Berlin gekommen. Sei es, weil die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen in ihren Heimatländern nicht mehr stimmen, sei es, weil sie beruflich oder privat an der Spree neu durchstarten wollen. Was suchen und was finden sie in Berlin? Unsere Autorin Henriette Harris, die 2004 aus Kopenhagen nach Berlin kam, stellt die Neuankömmlinge an dieser Stelle einmal im Monat vor.

„Die Städelschule ist wirklich gut, aber Frankfurt hat nicht zu mir gepasst – zu sehr auf Business fokussiert“, sagt Barakeh. Wir sitzen im Garten der Universität. Überall auf dem Rasen hocken junge hoffnungsvolle Künstler(typen), trinken Bionade und essen Kuchen. Die UdK hat ihren Tag der offenen Tür, die Studenten stellen ihre Werke aus.

In Berlin zu Hause

Vor anderthalb Jahr kam Khaled Barakeh nach Berlin. „Hier fühle ich mich erstmals in meinem Leben zu Hause. Ich fühle mich nicht deutsch, aber ich kann sagen: Ich bin ein Berliner. In Berlin kann man alles sein, auch religiös – nicht dass ich das bin, aber es ist möglich. Man kann die Stadt mitgestalten, die eigenen Fingerabdrücke setzen, und wenn du teilnimmst, gibt die Stadt dir so viel zurück“, sagt Barakeh.

Er erzählt, dass es jetzt mehr syrische Kulturschaffende in Berlin als in Damaskus gebe. „Wenn ich nach Damaskus will, rufe ich bloß meine Freunde an, dann fahren wir in die Sonnenallee und gehen arabisch essen“, lächelt er. Seit Kurzem hat er auch das erste Mal seit vielen Jahren seine eigene Wohnung. Sie liegt in Prenzlauer Berg und ist Teil des Grundes, warum er sich so wohl und zu Hause fühlt in Berlin. „Viele Jahre lebte ich aus Kisten. Damit ist Schluss. Ich habe einen Job, ich bezahle meine Steuer, jetzt sollte ich noch Deutsch lernen“, sagt Barakeh.

Der Krieg in Syrien hat auch im Leben von Khaled Barakeh seine Spuren hinterlassen. Er hat Familienmitglieder und Freunde verloren. „Ich finde, dass ich Glück gehabt habe, aber gleichzeitig habe ich Schuldgefühle, weil ich Syrien so früh verlassen habe. Einige Syrer, die geflüchtet sind, sind sogar schon ins Land zurückgekehrt. Aber für mich ist das Leben im Ausland nur ein Weiterführen meines bisherigen Lebens“, sagt er.

Khaled Barakeh versteht sich als Künstler und Kulturaktivist. Er möchte gerne an seiner eigenen Kunst arbeiten, gleichzeitig aber fühlt er sich verantwortlich, anderen zu helfen, die Deutschland nicht so gut wie er kennen. „Wir sind nicht Bedürftige, nicht Opfer. Wir wollen hier arbeiten und Fuß fassen. Syrien, wie es war, wird nicht wieder auferstehen. Ich glaube, dass man schon von Ex-Syrien reden kann, so wie man von Ex-Jugoslawien redet. Zusammen mit anderen arbeite ich an einem Index über syrische Künstler in Berlin. Wir wissen nicht, wie viele es sind, wie viele Männer, Frauen, ihr Alter und so weiter. Mit dem Index wollen wir versuchen, ihre Identität auch als syrische Künstler am Leben zu halten“, erklärt er.

Kreativität als Mittel zur Veränderung

In Nordirland hat Barakeh mal ein Projekt gemacht, als Versuch, eine Brücke zu schlagen zwischen zwei Kulturen, nämlich den zerstrittenen Protestanten und Katholiken. In der Stadt Derry/Londonderry – schon in diesem Namesdoppel versteckt sich der Konflikt – gibt es eine Skulptur von Maurice Harron auf einer Brücke. Es sind zwei Männer, sie strecken ihre Hände zueinander aus, aber der Abstand ist zu groß. Barakehs Keramikarbeit „The Shake. Materialising the Distance“ zeigt das genaue Maß des Abstands zwischen den Händen der zwei Männer. „Ich glaube an Kreativität als Mittel zur Veränderung“, sagt er.

Auch er selbst hat sich in Europa verändert und seine Kunst. „Die Art und Weise wie die Europäer mit Stolz und Freude ihre Steuern bezahlen. Wenn man aus einem Land kommt, wo keiner Steuern zahlen will, beeindruckt das einen sehr. Als Steuerzahler hier fühlt man sich wirklich privilegiert und als Teil der Gesellschaft“, sagt Barakeh, der aus Syrien mit einer ganz klassischen Ausbildung kam und malte. In Odense war er zuerst geschockt von den vielfältigen Ausdrucksweisen der anderen Studenten. Die Vielfalt aber hat ihm gefallen, jetzt malt er kaum mehr.

„Wenn du etwas machst, was Sinn ergibt, dann sind die Deutschen sehr offen. Ich sehe auch Berlin als eine postwar city. Und gerade weil ich aus Syrien komme, gibt dieser Aspekt mir ein Heimatgefühl. Die Stadt ist authentisch, manchmal auch hart, es dauert etwas, bis man sie versteht. Berlin ist nicht schön wie Paris oder Wien, aber Berlin ist in seinem Geiste schön“, sagt Khaled Barakeh.

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