Europaküche Angela Merkel und Emmanuel Macron sind gerade ziemlich beste Freunde. Sogar beim Essen verstehen sie sich: Hauptsache, deftig
: Das blaue Band der Sympathie

Von Philipp Mausshardt
(Text) und Juliane Pieper (Illustration)

Wenn Staatsmänner oder -frauen über ihr Lieblingsessen reden, ist Vorsicht angebracht. Sie nennen dann häufig ein Gericht, von dem sie glauben, es komme bei ihren Wählern gut an und sei im besten Fall sogar mehrheitsfähig. Wer ­beispielsweise als deutscher ­Politiker zugeben würde, dass sein Lieblingsgericht Froschschenkel oder Hummer heißt, kann gleich mal ein paar Prozent bei den nächsten Wahlen abziehen.

Von Gerhard Schröder geht die Sage, er liebe Currywurst. Das passt ja zu dem Bild, das er von sich gern zeichnen ließ: der Einfache-Leute-Versteher. Tatsächlich aß er aber in seinem Leben sehr viel häufiger Kalbsschnitzel. Helmut Kohls Liebe zum pfälzischen Saumagen war auch mehr ein politisches Statement als Realität im Kanzleramt.

Bei unseren lieben Nachbarn jenseits des Rheins ist das ein bisschen anders. Ein bisschen umgekehrt. Würde dort der Präsident bekennen, er liebe Currywurst oder Saumagen, würde der gegenteilige Effekt eintreten wie in Deutschland. Jacques Chirac nannte deswegen den „Tête de Veau“, den Kalbskopf, als sein Lieblingsgericht. Und François Mitterand bekannte sich zeit seines Lebens zur Gänsestopfleber und aß öffentlich Schnepfe, einen hierzulande geschützten Singvogel.

Nun gibt es Neues zu vermelden von der deutsch-französischen Freundschaft: Monsieur le Président und Frau Bundeskanzlerin sind näher zusammengerückt. Sie schätzen sich gegenseitig und wollen mehr miteinander sprechen als das noch zwischen Merkel und François Hollande (Lieblingsessen: Mousse au Chocolat) oder Nicolas Sarkozy (Käsefondue) der Fall war. Es sind für die Zukunft wieder häufiger bilaterale Treffen geplant, und das stellt vor allem die Köche dies- und jenseits des Rheins vor eine schwierige Aufgabe. Qu’est qu’on peut cuisiner? – was sollen sie kochen, damit es beiden Beteiligten schmeckt?

Obwohl der Name Emmanuel Macron auf eine der exquisiten französischen Nachspeisen hindeutet (Macarons sind kunstvoll geschichtete, luftige Gebäck­pralinen), ist er kulinarisch eher ein deftiger Typ. Man sah Macron im Wahlkampf mehrmals mit äußerst entzückter Miene ein Cordon bleu in sich hineinschaufeln. Und obwohl es unter den Fleischgerichten der Grand Nation sehr viel elaboriertere Rezepte gibt als das Cordon bleu, so darf es doch als eine echte Verfeinerung des etwas dumpfen, deutschen Schnitzels gelten. Natürlich nur, wenn man es richtig zubereitet, also mit Kalbsfleisch, richtigem Käse und gutem gekochtem, höchstens leicht geräuchertem Schinken.

Was aber sagt es uns, wenn Emmanuel Macron am liebsten Cordon bleu isst? Es sagt uns, dass er wirklich bereit ist, mit Traditionen zu brechen und über den französischen Tellerrand zu blicken, denn erfunden wurde das Cordon bleu vermutlich bei den Nachbarn, in der Schweiz. Es sagt uns aber auch, dass dieser Mann noch immer an eine Speisekarte für Kinder denkt, wenn er Essen meint. Dort ist das Cordon bleu am häufigsten zu finden, denn es hat weder Knochen, an denen man sich verschlucken kann, noch ist es roh gebraten und sieht vor allem auch nicht aus, als würde es von einem Tier stammen.

Über Angela Merkel gibt es genusstechnisch hingegen nicht ganz eindeutige Informationen, gesichtert scheint nur: Auch bei ihr darf es bitte deftig sein. Mal ist die Rede von Königsberger Klopsen, mal von einer Kartoffelsuppe, die sie am Wochenende gleich selber kocht, dann von „Rinderrouladen, gebratenen Fisch, gerne auch Matjeshering“ und schließlich: von Grünkohl. Grünkohl ist im Norden Deutschlands mehrheitsfähig, Merkel war 2001 sogar mal die Oldenburger Grünkohlkönigin. „Es ist ein Gewächs, das etwas wegstecken kann und immer schmackhafter wird, das gefällt mir“, sagte sie damals.

Zutaten Cordon bleu:

4 doppelte Kalbsschnitzel (Schmetterlingsschnitt, je 140 g)

4 Scheiben junger Gouda

4 Scheiben gekochter Schinken

2 Eier

100 g Mehl

100 g Semmelbrösel

60 g Butter

1 Zitrone

Salz, Pfeffer, Öl

Zubereitung: Die aufgeklappten Schnitzel zwischen zwei Lagen Frischhaltefolie auf 3–4 mm flach klopfen. Anschließend von beiden Seiten salzen und pfeffern. Jeweils eine Scheibe Gouda auf eine Scheibe Schinken legen und so falten, dass der Käse außen ist. Die Päckchen jeweils auf eine Schnitzelinnenseite legen und die andere Fleischhälfte zuklappen, sodass nichts herausguckt. Die Ränder fest andrücken, evtl. mit Zahnstochern fixieren. Für die Panade die Schnitzel erst in Mehl, dann in den verquirlten Eiern und dann in den Semmelbröseln wenden. 4 EL Öl pro Cordon bleu in einer Pfanne stark erhitzen. Die Schnitzel von jeder Seite bei mittlerer Hitze ca. drei Minuten goldbraun braten, beim Wenden für den Geschmack 1 EL Butter mit ins Öl geben. Kurz auf Küchenkrepp abtropfen lassen und mit Zitronenspalten servieren.

Zutaten Grünkohl:

750 g Grünkohl (nur die Blätter)

20 g Schweineschmalz

300 ml Gemüsebrühe

2 EL zarte Haferflocken

3 Zwiebeln

Rapsöl, Salz, Pfeffer

Zubereitung: Das Schweineschmalz in einem großen Topf oder Bräter erhitzen und die klein gewürfelten Zwiebeln darin glasig dünsten. Grünkohl und Gemüsebrühe dazugeben und aufkochen und alles bei mittlerer Hitze zugedeckt etwa 40 Minuten garen. Haferflocken in den Grünkohl rühren und aufkochen. Mit Salz, Pfeffer und Piment abschmecken.

Wie der Zufall so spielt, sind Cordon bleu und Grünkohl eine wunderbare Kombination. Sie passen herrlich zueinander, denn das gefüllte Schnitzel ruft geradezu nach einer saftigen ebenbürtigen Beilage.

Dabei hatte Grünkohl auf Frankreichs Gemüsemärkten bis vor Kurzem gefehlt. Das, was dort als „Chou vert“ – so die wörtliche Übersetzung von „grüner Kohl“ – verkauft wurde, war der Wirsing. Weil Grünkohl aber inzwischen vor allem in Australien und USA zum beliebtesten Gemüse avancierte, nahmen ihn auch die Franzosen zur Kenntnis und nennen ihn einfach Chou kale (kale gleich Kohl auf Englisch).

Das klingt nicht so deutsch. Heißt aber letztlich nur Kohlkohl. Es ist ein Witz der Geschichte, dass Kohls Nachfolgerin im Parteivorsitz- und Regierungsamt zu ihren Leibspeisen den Kohlkohl zählt.

Es gibt also ab sofort ein neues europäisches Leitgericht. Cordon bleu bedeutet übersetzt „blaues Band“, dabei ist keine einzige der Zutaten blau. Der Name stammt von einen Orden, der manchmal auch an besonders begnadete Köchen verliehen wurde. Ein „blaues Band der Sympathie“.