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Ein angekündigter Tod

Freie Kunstschule Durch die Schließung der Freien Kunstschule verliert Bremen viel, spart aber nichts. Nicht einmal Geld: Das wissen alle, die dort die Kurse erleben durften

Die Pinsel bleiben künftig trocken und der Kunst-Nachwuchs muss eben sehen, wo er bleibt: Die Freie Kunstschule Bremen schließt Foto: Martin Schutt/dpa

Von Elí Klose

Jetzt muss die Freie Kunstschule (FKS) also wirklich aufgeben. Das ist eine traurige Nachricht für alle, die sie besucht haben, weil sie nämlich wissen, was die Stadt mit der Arbeit von Udo Steinmann und Kay Leutner verliert. Als ich das erste Mal zur Freien Kunstschule ging, hatte ich bereits sechs eher unvergnügliche Jahre Kunstunterricht hinter mir. Obwohl ich schon immer Freude am Zeichnen und Malen gehabt hatte, empfand ich den Schulunterricht in diesem Fach mehr als eine Zeit, die eben abzusitzen war. Zum Leidwesen der SchülerInnen und LehrerInnen war ich mit diesem Gefühl nicht allein – kurz bis zu meinem neunten Schuljahr war der Kunstunterricht eine Farce.

Zwar geht es bestimmt vielen SchülerInnen in diversen Fächern so, doch nur im Kunstunterricht habe ich es wahrgenommen, dass selbst jene, die Interesse mitbringen, einmal pro Woche 90 Minuten vor sich hin dämmern. Für mich und beinahe alle meine Bekannten war der Kunstunterricht eine Enttäuschung.

Vielleicht könnte das durch eine große Reform der Curricula alles besser werden, keine Ahnung. Fest steht nur: Für uns, die wir uns gern mit Kunst befassen oder einfach nur in ruhigem Umfeld malen wollten, gern mit den helfenden Worten eines Lehrers, würde dies viel zu spät kommen. Zu unserem Glück aber gab es die FKS.

Dort wurden wir von Künstlern angeleitet, ohne dass diese Anleitung dogmatisch gewesen wäre, ohne dass sie unsere Eigeninitiative damit untergraben hätte. Uns wurde die Freiheit der Kunst nicht erklärt, wir durften sie selbst erleben.

Wenn wir mit einem neuen Bild anfingen, brachten wir meist die Motive von zu Hause mit. Völlig egal, was es war, immer erhielten wir eine ehrliche Einschätzung, wie wir mit dem gewählten Motiv umgehen könnten. Gemeinsam saßen wir dann an den großen Zeichentischen und malten. Durch das Arbeiten in der sehr durchmischten Gruppe lief man auch nie Gefahr, sich in seinen Ideen zu verrennen, denn ein fester Bestandteil des Kurses war immer auch die Präsentation des eigenen Werkes vor den MitschülerInnen.

So etwas schärft das handwerkliche Auge enorm. Da wir alle unterschiedliche Stilrichtungen bevorzugten, kam man nicht in die Verlegenheit, das Bild des Gegenübers mit einem „Mag ich!“ oder eben „Mag ich nicht!“ abzutun. Jeder sah andere Details, die noch verbessert werden mussten oder die besonders gelungen waren. Abschließend sagte der Lehrer noch, was ihm gefiel und wo er Verbesserungen für angebracht hielt. Und war das Bild dann fertig, ging es wieder von vorn los.

Besonders durch die jährliche Ausstellung, in der Werke von MitschülerInnen, aber auch den LehrerInnen gezeigt wurden, bekamen wir das Gefühl, ein Teil der Kunstwelt zu sein.

Mein erster Kurs an der FKS wurde von Udo Steinmann geleitet und nannte sich „gestalterisches Zeichnen“. Ich wollte ein Aquarell malen. Also malte ich ein Aquarell. Udo zeigte mir einige Aquarelltechniken, mit denen ich seither sehr gern arbeite. Nach diesem Kurs stand für mich fest, dass ich im nächsten Semester den gleichen noch einmal besuchen wollte. Aber schon am Ende des ersten Halbjahres hörte man das Rumoren hinter den Kulissen: Es war nicht sicher, ob die Kunstschule weiter bestehen würde, da die Fördergelder gestrichen werden könnten. Diese Gefahr hing stets als Damoklesschwert über der Kunstschule und allen Beteiligten.

Und nun? Nun ist das sehr gehaltvolle Programm, das vom Kinderzeichnen bis zu Mappenvorbereitungskursen für angehende StudentInnen reichte, nicht mehr da, um Kindern und Jugendlichen eine Alternative zum Schulunterricht zu bieten. Niemand fängt mehr diejenigen auf, die – wie ich damals – den Wunsch zum Malen verspüren, niemand hilft denen, die sich an den Kunsthochschulen bewerben wollen. Das großartige und viel zu wenig gewürdigte Engagement von Udo und den vielen anderen KünstlerInnen steht jetzt nicht mehr zur Verfügung.

Schon im ersten Halbjahr hörte ich das Rumoren hinter den Kulissen: Die Zukunft der Musikschule war in Gefahr

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich auch ohne Udo weiter fürs Malen begeistert hätte. Das für mich wichtig geblieben ist: Diesen Oktober werde ich mit meinem Architekturstudium an der Universität der Künste in Berlin beginnen. Ohne die Kunstschule hätte ich mich vermutlich nicht getraut, die Aufnahmeprüfung abzulegen.

Mit der Entscheidung, die Einrichtung nicht auskömmlich so zu finanzieren, dass sie ihren Bestand sichern kann, pflegt Bremen sein Bildungsdefizit. Zuletzt hatte Bremen für die Arbeit der Freien Kunstschule nur noch eine Projektfördersumme von 8.500 Euro im Angebot. Besonders absurd erscheint diese Summe, wenn man die Förderung der Kunstschule, die in Bremen einzigartig war, neben die der Musikschule Bremen stellt. Denn während Leutner und Steinmann sie auf Minijob-Basis geleitet und selbst in den besten Zeiten einen Gesamtetat von 30.000 Euro zur Verfügung hatten, hat die Musikschule einen ordentlich vergüteten Direktor, der etwa 60.000 Euro per anno bekommt.

Nein, das ist natürlich nicht zu viel. Und auch die InstrumentallehrerInnen sollen selbstverständlich vernünftig vergütet werden. Aber es bleibt doch die Frage, warum der musikalischen Bildung so viel mehr Gewicht beigemessen wird als der künstlerischen? Was macht das Erlernen eines Instrumentes so viel wichtiger als das von Zeichen- oder Maltechniken?

An Kultur und Bildung zu sparen war noch nie eine gute Idee. Statt Fördergelder zu kürzen, sollte sich Bremen lieber überlegen, wie sich diese gerecht verteilen ließen, um ein möglichst breites Bildungsangebot sicherzustellen.

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