Wenn der Raum dem Klang antwortet

Musik „5 Seconds“ nennt sich das an diesem Wochenende stattfindende „Festival für Hall und Raum“ in der Zwinglikirche

Es ist eine Frage der Akustik. Also Physik, und damit erklärbar. Die Reflexion von Schallwellen in einem Raum, Eingangswinkel gleich Ausgangswinkel: so funktioniert das mit dem Nachhall.

Eine nüchterne Beschreibung, in der richtigen Umgebung aber klingt das allemal aufregend und gleichzeitig beruhigend, wenn mit dem Hall ein Klang sozusagen noch einen Schatten wirft. Wenn der Raum ihm antwortet. Wenn sich Musik in eine leicht vibrierende Aura hüllt.

Besonders schön lässt sich das beispielsweise in Kirchenräumen hören. Fünf Sekunden lang ist der Nachhall in der Zwinglikirche am Friedrichshainer Rudolfplatz. Womit auch gleich der Titel der musikalischen Versuchsreihe dort erklärt ist: „5 Seconds“ nennt sich das an diesem Wochenende stattfindende „Festival für Hall und Raum“.

Organisiert wird es von dem Musikkurator und Musiker Marc Weiser, der die vergangenen vier Jahre für das Musikprogramm im Roten Salon der Volksbühne verantwortlich war. Das findet seinen Widerhall im „5 Seconds“-Programm, mit Musikerinnen und Musikern, die bereits im Roten Salon ihren Auftritt hatten.

Unverstärkt Musik machen

Wobei die Konzerte in der neogotischen Zwinglikirche mit ihrem Resonanzraum ein ganz anderes Setting möglich machen. „Ich wollte immer schon mal eine Konzertsituation schaffen“, sagt Weiser, „wo man unverstärkt Musik machen kann.“ Gespielt wird bei „5 Seconds“ also streng akustisch, die Verstärkung ist der Nachhall.

Und mit so einem Hall muss man auch erst mal umgehen können. Punk taugt da weniger, mehr die getrageneren Töne. Eine Reihe von klassisch ausgebildeten Musikerinnen und Musikern, die sich auch in Richtung experimentellen Pop gespielt haben, ist bei dem Festival zu hören. Die Cellistin Anne Müller etwa, die man als Begleiterin der dänischen Songwriterin Agnes Obel kennt. Oder der Geiger Alex Stolze, der mit Bodi Bill und Dictaphone sacht hingetupfte Indietronic-Musik macht. Statt mit seiner freundlich verhuschten Elektronik wird Raz Ohara bei „5 Seconds“ mal mit der Gitarre zu Gast sein, mit dem Oriel Quartett gibt es ein klassisch besetztes Streichquartett, der kanadische Komponist und Pianist John Kemeel Farah lässt in seiner Musik barocke Elemente mit Minimal und Nahöstlichem ineinandergreifen.

Die Auftretenden werden dabei in verschiedenen Kombinationen im Kirchenraum verteilt spielen. Das Programm reicht von Liedern über dem Hall nachspürende Improvisationen bis zur zeitgenössischen Klassik mit eher leisen, sich selbst nachhorchenden Klängen. Wenn man so will: spirituelle Stimmungsmusik, von Arvo Pärt etwa. Mit einer Komposition von Iannis Xenakis gibt es aber auch den disziplinierten Krawall mit einem Perkussionsstück samt Kesselpauken.

Das soll durchaus ein Kontrapunkt sein, sagt Marc Weiser. Gegen das Kontemplative. Wo es laut werden kann, „um die Leute aufzuwecken“. Was zwischendurch vielleicht notwendig ist bei dem Spiel der Musik mit dem Hall, das doch zu einer meditativen Ruhe lädt, zur Versenkung in die Musik – die, wenn’s dann gar zu beruhigend klimpert, aber auch eine musikalische Matratze sein mag, auf der man wegdämmern will.

So gemütlich allerdings soll es bei „5 Seconds“ nicht sein. „Es geht hier nicht darum“, so Weiser, „eine esoterische Yoga-Veranstaltung zu machen“.

Thomas Mauch

„5 Seconds“: Zwinglikirche, Rudolfstr. 14, Freitag/Samstag, 21 Uhr, 15 Euro. Info: www.kulturraum-zwinglikirche.de