: Die Medien haben versagt
betr.: „Siemens streicht tausende Stellen“, taz vom 20. 9. 05
Mit seiner Medienschelte hat Gerhard Schröder einen heiklen Punkt angesprochen. In der Form war die Kritik möglicherweise nicht angemessen. In der Sache war sie richtig: Die Medien haben versagt. Allerdings hat die SPD von dem Versagen profitiert. Deswegen wirkt der Auftritt auch so verstörend.
Was wäre denn gewesen, wenn z. B. die FAZ eine kritische Debatte geführt hätte? Eine Volkspartei, die sich von den Erfolgen des rheinischen Kapitalismus verabschiedet, ohne auf die Wirksamkeit neoliberaler Fantasien, nicht Visionen, hinweisen zu können. Wahlen gewinnen kann eine Volkspartei mit dieser Taktik nicht. Von Strategie kann gar keine Rede sein. Mit einem starken christlich-wertkonservativen Flügel wäre die Wahl für die Union nicht zu verlieren gewesen. Ohne Not hat die Elite der CDU, weniger die CSU, auf eine angemessene Unterstützung dieser Position verzichtet.
Es passt ins Bild, wenn Siemens einen Tag nach der Wahl von den alten und neuen Möglichkeiten, Stellen zu streichen, Gebrauch macht. Bekommt Siemens für den Stellenabbau staatliche Unterstützung? Hat dieser Konzern nicht jahrzehntelang staatliche Subventionen erhalten und lässt er sich nicht weiterhin vom Staat, dessen Souverän das Volk ist, alimentieren. Welches Unternehmen würde Geld in ein Projekt stecken, ohne die Möglichkeit zur Mitgestaltung zu erhalten? Bei Sabine Christiansen wird der Siemens-Chef am Wahlabend sogar noch als Kronzeuge der neoliberalen Ideologie präsentiert. Welche Verantwortung hat dieser Mann für den Arbeitsplatzabbau? Solche Fragen könnten von kritischen Medien gestellt werden. Dass sie nicht einmal im Spiegel oder in der taz angesprochen werden, macht das Versagen komplett.
KLAUS WANDEL, Hamburg
Ich kann nur hoffen, dass alle Betroffenen bei Siemens und in ganz Deutschland brav SPD gewählt haben, damit sich ganz gewiss nichts ändert. Die Sozialdemokraten und die Linkspartei hoffen immer noch auf einen Robin Hood, der den Reichen das Geld wegnimmt und unter den Armen verteilt. So aber funktioniert Wirtschaft eben nicht. Anstatt die Massenarbeitslosigkeit sozialer machen zu wollen sollte man sich darauf konzentrieren, die Arbeitsplätze zu halten und neue zu schaffen. Dann kommt auch wieder Geld in die Kassen, mit dem wir dann auch gezielt die Armen und sozial Schwachen unterstützen können, ohne mit Hartz 4 auf das bisher unsozialste Instrument der deutschen Nachkriegsgeschichte zurückgreifen zu müssen. Es gilt eben auch in der Makroökonomie der Grundsatz, dass es ohne Einkommen kein Auskommen gibt. Je früher das Kernproblem parteiübergreifend verstanden wird desto besser.
ALEXANDER RALL, Wannweil
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen