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Berliner SzenenIn der Fahrschule

Gefährliche Kiste

Ein Polizeiauto fährt vorbei, kurz denke ich, es sei abgemacht

„Was mache ich jetzt?“, frage ich. „Na, am besten fährst du ihm über die Füße“, antwortet der Fahrlehrer. Der Mann steht weiterhin unbehelligt mitten auf der Wiener Straße. „Das darf ich noch nicht, oder?“, frage ich. „Noch nicht“, bestätigt der Lehrer.

Autofahren zu lernen kann Spaß machen, wenn der Fahrlehrer seine cholerische Persönlichkeit unter Kontrolle hält. Zwei Mal musste ich ihm erklären, dass ich mir die Brüllerei dauerhaft nicht gefallen lassen will. Er sagte, ich sei überempfindlich. Typisch Macker, dachte ich, und wusste, dass ich beim dritten Mal die Fahrschule wechseln würde. Ich glaube, er weiß es auch.

Nun, er kann auch lustig sein. Wir nehmen die Oranienstraße bis zum Moritzplatz. Ich bin angespannt. „Keine Sorge, nach dem Moritzplatz werden dir andere Kreisverkehre wie ein Wellnessbad vorkommen“, sagt er.

„Eine ganz gefährliche Kiste“, liebt er bei jeder Gelegenheit zu sagen. Und ich muss innerlich lachen, weil ich es mir wortwörtlich vorstelle, wie auch immer eine gefährliche Kiste aussehen mag. Neulich waren wir am Kranoldplatz unterwegs, als er plötzlich anhielt. „Was ist los?“, frage ich. Gerade war ich stolz auf mich gewesen, rechts vor links nicht verpasst zu haben. „Was ist das für eine Straße?“, fragt er. „Keine Ahnung, muss ich alle Straßennamen kennen?“ Er guckt mich nur an. Erst, als ein anderer Autofahrer „Gut gemacht“ sagt, merke ich, dass alle Autos in der Gegenrichtung geparkt sind. „Na? Regel Nummer eins: die Tomate“, sagt noch jemand. Die Tomate? Noch nie gehört. Ein Polizeiauto fährt an uns vorbei, und eine Sekunde lang denke ich, das sei so abgemacht, um den SchülerInnen Angst einzujagen, damit sie nie wieder ein Straßenschild übersehen.

Der Polizist lächelt mich ironisch an. „Ja, schon gut, ich habe es kapiert! Ihr scheiß Männer!“, schreit meine innere Stimme, und doch: Wutanfälle am Lenkrad sollte man vermeiden, habe ich gelernt. Luciana Ferrando

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