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american pieRatloser König

BASKETBALLDie Cleveland ­Cavaliers werden von Golden State in Spiel zwei der NBA-­Finalserie regelrecht zerlegt.

Der Frust stand LeBron James ins Gesicht geschrieben. Der beste Basketballer der Welt kam gerade aus der Dusche, da wollten die Journalisten schon wissen, warum seine Mannschaft so chancenlos gewesen war. Warum die Cleveland Cavaliers, der Titelverteidiger, nun schon das zweite Finalspiel gegen die Golden State Warriors so deutlich verloren hatten? Warum die Golden State Warriors beim 132:113-Erfolg so viele Punkte erzielen konnten wie noch nie eine Mannschaft in einem NBA-Finalspiel? James biss sich auf die Unterlippe, er blickte zur Decke der Umkleidekabine, als wären dort oben Antworten zu finden.

Wie ratlos James war, zeigten seine mal einsilbigen, mal sarkastischen Antworten und die Tatsache, dass er nicht zur eigentlich obligatorischen Pressekonferenz erschien. In der Umkleide hatte er sich immerhin zu der Aussage hinreißen lassen, dass die Cavaliers „besser werden müssen“. Ein Satz, dessen wahre Dimension im Detail verborgen ist. James sagte eben nicht, seine Mannschaft müsse besser spielen. Er sagt, sie müsse besser werden.

Tatsächlich war es den Cavaliers gelungen, das zweite Aufeinandertreffen bis Mitte des dritten Viertels halbwegs offen zu gestalten. Diesmal spielte nicht nur James, der sich immer wieder zum Korb durchtankte und die Bälle geschickt verteilte, überragend und hatte am Ende 32 Punkte, 14 Assists und 11 Rebounds gesammelt. Diesmal hatten auch die anderen beiden Cavaliers-Stars einen guten Tag erwischt, Kevin Love und Kyrie Irving steuerten 27 beziehungsweise 19 Punkte bei.

Trotzdem reichte es nicht einmal annähernd. Als die Warriors in der zweiten Halbzeit einen Gang hochschalteten, als Stephen Curry, Kevin Durant und Klay Thompson ihre Dreier trafen und der nach Rückenproblemen wieder auf die Bank zurückgekehrte Trainer Steve Kerr die richtige Taktik verordnet hatte, zogen die Warriors davon. Was angesichts der großartigen Offensive gern übersehen wird: In der Defensive sind die Warriors sogar noch besser. Statistisch gesehen haben sie die beste Verteidigung in der NBA – und die war in der zweiten Halbzeit der Unterschied zwischen den sehr guten Cavaliers und den überragenden Warriors.

Nach dem Spiel begannen wieder die Spekulationen, ob die Golden State Warriors die beste Basketball-Mannschaft aller Zeiten sein könnten. Ein Disput, der wohl nie zu klären sein wird angesichts der dominierenden Celtics-Teams der Sechzigerjahre, der Los Angeles Lakers mit Magic Jordan und Kareem Abdul Jabbar oder später mit Koby Bryant und Shaquille O’Neal, nicht zu vergessen: Michael Jordans Chicago Bulls, die sechs Titel holten.

Aber eins steht wohl fest: Nie zuvor gab es eine Ära mit zwei so guten Mannschaften. Cleveland und Golden State stehen sich nun zum dritten Mal in Folge in den Endspielen gegenüber, das gab es noch nie. Nur ein Playoff-Spiel hatten James und seine Kollegen in diesem Jahr bis zu den Finals verloren, und die Warriors, sind in der K.-o.-Runde immer noch ungeschlagen: 14 Playoff-Siege am Stück, auch das ist ein neuer Rekord.

2015 gewann Golden State, 2016 drehten die Cavaliers die Serie nach einem 1:3-Rückstand noch. Niemand hatte mehr einen Pfifferling auf sie gegeben. Es war das größte Comeback in der NBA-Finalgeschichte. Den Cavaliers sollte ihr Comeback von vor einem Jahr Hoffnung geben. Allzu hoffnungsvoll sah LeBron James allerdings nicht aus nach der Klatsche in Spiel zwei. Thomas Winkler

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