REISE Vor vier Jahren war unser Autor auf Madagaskar. Er aß Rind mit Vanillesoße, trank Vanillerum und kaufte schließlich zwei Kilo Schoten auf dem Schwarzmarkt – für nur 50 Euro. Heute sitzt er aufeinem kleinen Schatz: Orchideengoldin der Tupperdose
Du magst doch Vanille, oder?“ Klar, wer mag die nicht? „Probier mal das Zebusteak mit Vanillesoße.“ Rind mit Vanille? Linda spinnt, denke ich. Aber immerhin lebt sie schon ein halbes Jahr auf Madagaskar. Ich bin nur als Tourist hier und jetzt eben in diesem Luxusrestaurant, das ich mir nur in Ländern leisten kann, in denen der größte Geldschein 2,79 Euro wert ist. Ich bestelle also Zebusteak mit Vanillesoße. Famos. Nicht süß, sondern aromatisch, würzig … vanillig halt.
Vier Wochen reisen wir 2012 über die Insel, Vanille sehen wir kaum. Mal eine Plantage, mal eine Nachspeise. Und viel Vanillerum. Zwei Tage vor unserer Abreise machen wir uns selbst auf die Suche. Wir wollen exportieren. Für den Privatgebrauch, selbstverständlich. In den wenigen Luxushotels der Hauptstadt Antananarivo gibt es große Auswahl – aber auch große Preise. Linda rät zum Privatkauf. Sie habe da eine Nummer.
Die Frau am Telefon klingt entschlossen, „Morgen, vor dem Carlton Hotel, 15 Uhr.“ Wir warten am nächsten Tag. Lange. Beobachten den hektischen Verkehr, blicken hoffnungsvoll jede Frau an, die in unsere Richtung läuft. Drei Stunden zu spät kommt sie. Rosa Shirt, schwarze Leggings – und diese blaue Sporttasche.
Wir setzen uns auf eine Steinmauer, sie öffnet die Tasche. Darin: Vanilleschoten. Hunderte. Tausende. Zusammengebunden zu 1-Kilo-Bündeln, jedes etwa mit 300 Schoten. Es duftet. Gewaltig. Auch sie hat unterschiedliche Preise, Längen, Dicken, Qualitäten. Wie im Restaurant der Weinlaie zum mittelpreisigen greift, entscheiden wir uns für die Mittelklasse. Rund 25 Euro pro Kilo. Ein Schnäppchen, schon damals. Wir kaufen 2 Kilo. Ab in den Rucksack, zurück zur Wohnung. Wir fühlen uns, als hätten wir soeben einen großen Drogendeal abgeschlossen. Etwas schmutzig, aber auch gut.
Der Rucksack riecht noch mehrere Wochen nach der Rückkehr. Die Aufbewahrung gestaltet sich indes schwierig. Luftdicht soll es sein, kühl, aber nicht zu kühl. Und dunkel natürlich. Während das eine Kilo nach wenigen Wochen verschimmelt – alte Tupperdose, undicht –, verbannt das fest verschließbare Glasgefäß sämtliche Außenluft, lässt keine Feuchtigkeit rein.
Doch was macht man mit einem Kilo Vanille, wenn man nicht gerade eine Eismanufaktur betreibt? Zunächst probiert man sechs Vanillepuddingrezepte aus, macht Vanillequark, steckt ein paar Schoten in eine Rumflasche – Rhum Arrange entsteht –, aromatisiert ein Kilo Zucker und verschenkt Stangen an Freunde und Kollegen. Dann vergisst man sie.
Bis der Vanillepreis explodiert. Vergangene Woche öffne ich den Glasbehälter, der eingestaubt auf dem Küchenschrank steht. Rund 50 Schoten sind noch übrig, steinhart – was sich durch ein kurzes Wasserbad beheben lässt – und noch immer so aromatisch wie vor vier Jahren. Ich bin reich! Paul Wrusch
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