Ausstellungsempfehlung für Berlin: Kultivierte Varietät
Der Kunstraum KASKL zeigt Holz-Wort- und Bildveredelungen von Eva Dittrich. Die taz sprach mit dem KASKL-Kollektiv, zu dem auch Dittrich gehört.
Cultivar ist ein Portmanteauwort, in dem sich zwei Wörter überlappen: „cultivated“ und „variety“, kultiviert und Varietät. Die linguistische Form ähnelt dem, was sie beschreibt, durch Züchtung oder Kreuzung gewonnene Kulturpflanzen nämlich, die sich von der Ausgangsart unterscheiden, Obstbäume etwa, die veredelt wurden, damit sie bessere Früchte tragen oder um alte Sorten zu erhalten.
Mit solchen Techniken aus dem Obst- und Gartenbau hat sich Eva Dittrich beschäftigt und ihre Ausstellung im Kunstraum KASKL entsprechend genannt: „Cultivar“. Als Materialschatz diente der Künstlerin das Holzarchiv ihres verstorbenen Vaters. Dieser hatte nach einem geeigneten heimischen Holz für den Instrumentenbau gesucht.
Kanthölzer und Äste hat Dittrich wie beim Kopulieren mit Bast verbunden und wie beim Aufpropfen ineinander gesteckt, ganz so, als wolle sie auf diese Weise das Fortbestehen der alten Hölzer, des Erbes ihres Vaters, sichern, Umwege finden, sich mit dem Verlust zu arrangieren .
Der Gedanke setzt sich fort: Die Fotografie eines ausgestopften Tigers ist auf zwei Poster zerteilt. Man könnte sie wieder zusammen oder etwas dazwischen schieben. Ein Text verknüpft assoziativ Sätze von unter anderem Rainald Goetz, Lewis Carroll, René Pollesch und der Künstlerin. Er endet wie dieser und auf alle Fragen passend: „Die älteste Antwort: because.“
Einblick (676): KASKL Kollektiv, Kunstraum KASKL
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat euch zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?
KASKL: Die ständige Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Dass dort im Moment die Sammlung der Neuen Nationalgalerie zusammen mit der Sammlung Flick und der des Hamburger Bahnhofs gezeigt werden kann, ist ein Glücksfall. „Deutscher Kolonialismus“ im DHM, eine komplexe Thematik komplex dargestellt.
KASKL
Sa., So. 14-18 Uhr und nach Vereinbarung
Bis 18. 6., Kasklstr. 28
„Watching Me, Watching You“ im Museum für Fotografie verschiebt den Fokus von den Überwachten auf die Überwachenden selbst. Sarah Lucas: „FunQroc“ bei CFA. „Television“ von Martin Groß bei SMAC, auf den Punkt und überraschend.
Welches Konzert oder welchen Klub könnt ihr empfehlen?
Konzerte auf dem Zukunft Ostkreuz Gelände. Berlin Atonal. Alle Veranstaltungen von female pressure. ACUD macht neu. Humboldthain Club. Volksbühne, ging immer.
Welche Zeitschrift/welches Magazin/welches Buch begleitet euch zurzeit durch den Alltag?
Die Künstler_innen Jana Slaby, Eva Dittrich, Veit Hüter, Marius Land und Eric Meier gründeten den Kunstraum KASKL 2016. Künstlerin Julia Lübbecke und Literaturwissenschaftlerin Constanze Hahn kamen später hinzu. Am 4. 6. 2016 eröffneten sie mit einer Einzelausstellung von Sophia Domagala. Als erste offizielle KASKL-Ausstellung folgte am 8. 7. die Gruppenschau „Toolkit“. Aktuell läuft die Einzelausstellung „Cultivar“ von Eva Dittrich.
e-Flux. Besonders auch deren Publikationen wie „The Internet does not exist“. The new inquiry. Verso books blog. Hannah Blacks „Dark Pool Party“. Erfrischend und clever: Maria Popovas Blog „Brain Pickings“. Swetlana Alexijewitsch „Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus“. „Extrem laut und unglaublich nah“. Eigentlich alles aus dem Zabriskie Buchladen in Xberg. Jean-Paul Sartre, „Das Spiel ist aus“, sehr wahr. Pollesch, geht immer.
Was ist euer nächstes Projekt?
Eric Meiers Ausstellung „Sad Boys“ (22 .6.–2. 7.); Der erste Geburtstag von KASKL Anfang Juli; Yala Juchmann (6. 7.–23. 7.); die anstehende Gruppenausstellung im Rahmen unseres „gallery-exchange“-Programms im Bistro 21 in Leipzig im Herbst.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht euch am meisten Freude?30 Grad im Schatten mit amtlicher Warnung vor Windböen. Navi-Halterung am Fahrrad. Die neue La-Pavoni-Kaffeemaschine. Regelmäßig in die Sauna gehen und beim Schwitzen den Kopf ausschalten. Exzessives durch die Landschaft radeln. Pflanzen gießen und Theater. Und die Hügel in der Uckermark.
Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz.
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