Fiat: Fehler in allen Teilen

Dieselgate USA: Die Dieselfahrzeuge von Fiat Chrysler enthalten mindestens acht nicht deklarierte und daher illegale Funktionen. Aktie stürzt ab, weitere Untersuchungen werden folgen

Ziel der Abschalteinrichtungen ist es, das Schadstoffkontrollsystem zu umgehen

NEW YORK taz | Laut Firmenwerbung haben die Pick-ups von Fiat-Chrysler „guts and glory“: Mumm und Ehre. Nach Ansicht der US-Ermittler hingegen fahren sie mit einem elektronischen Täuschungssystem durch die Gegend. Das soll die Abgabe von Stickoxiden kaschieren. Am Dienstag hat das US-Justizministerium den Konzern wegen Manipulationen bei der Schadstoffabgabe bei 104.000 Dieselkleinlastern verklagt. Am selben Tag kamen 250 Polizisten und Juristen zu einer Razzia zu Daimler. Auch in Stuttgart ging es um nicht deklarierte Software und Schadstoffabgaben bei Dieselfahrzeugen.

Sowohl die Klage in den USA als auch die Razzia in Deutschland sind Folgen des „Diesel-Gate“ von Volkswagen. Der Wolfsburger Konzern muss in den USA 25 Milliarden Dollar Strafen und Entschädigungen zahlen, weil er Software in seine Dieselfahrzeuge installiert hatte, um deren reale Schadstoffabgaben vor den Behörden zu kaschieren. Seitdem sind die Kontrollen bei Dieselfahrzeugherstellern weltweit verstärkt worden. Dabei stehen die Ermittler in Europa und den USA in direktem Austausch miteinander.

Bei Fiat Chrysler wurden die Ermittler bereits im Januar vorstellig. Wenige Tage vor dem Ende der Präsidentschaft von Barack Obama kündigten sie eine Untersuchung wegen des Verdachts auf nichtdeklarierte Software in den Ram Pickup Trucks und Jeep Grand Cherokee aus den Verkaufsjahren 2014 bis 2016 an. Der Chef des italienisch-US-amerikanischen Konzerns, Sergio Marchionne, ergriff die Flucht nach vorn. Er sagte, er sei „enttäuscht“ und er habe „nichts Illegales“ getan, jeder, der seinen Konzern mit VW vergleiche, habe „etwas Illegales geraucht“. Wie andere Autohersteller in den USA konnte er davon ausgehen, dass die Regierung Trump die Umweltauflagen lockern und die Kontrollen reduzieren würde. Parallel zu seinem verbalen Feldzug kündigte Marchionne eine neue Software an, die „problemlos“ in die fraglichen 104.000 Dieselfahrzeuge installiert werden könne, um den Fehler zu korrigieren. Daimler hingegen gab an, mit den Ermittlern zusammenarbeiten zu wollen.

Die Umweltbehörde EPA, bei der Donald Trump Tausende Arbeitsplätze streichen will, setzte ihre Untersuchungen fort. Am Dienstag gab sie bekannt, dass die Dieselfahrzeuge von Fiat Chrysler mindestens acht nicht deklarierte und daher illegale Funktionen enthalte. Die Aufgabe dieser „Abschalteinrichtungen“ ist es, die Schadstoffabgabe der Fahrzeuge bei Tests geringer zu halten als auf der Straße. Im Ergebnis ist die Luftverpestung mit Stickoxiden deutlich höher als die Tests zeigen. „Haupteffekt dieser Abschalteinrichtungen sei es, das Schadstoff­kon­troll­system zu umgehen“, heißt es in der Anklageschrift.

„Das öffentliche Interesse verlangt, dass wir schnell vorgehen“, sagte Richter Edward Chen am Dienstag. Die fraglichen Fahrzeuge seien unter falschen Vorzeichen zugelassen worden und daher illegal auf den Straßen unterwegs. Chen ermittelt nicht nur gegen Fiat Chrysler, sondern auch gegen die Robert Bosch GmbH, die federführend an der Entwicklung der Dieselmotoren beteiligt war. Joseph Warren, ein Sprecher des Justizministeriums, erklärte, dass man schnell vorgehen wolle.

Nach Bekanntwerden der Klage stürzten die Aktienkurse von Fiat Chrysler um mehr als 2 Prozent. Auf den Konzern kommt eine mögliche Strafe von bis zu 4,6 Milliarden Dollar zu. Das ist deutlich weniger als beim VW-Konzern, der in den USA 400.000 Fahrzeuge mit elektronischen Täuschungsmanövern verkauft hatte.

Dorothea Hahn