Ganz matt von all den Möglichkeiten
: Alles so postmodern hier

Foto: taz

ausgehen und rumstehen

von Andreas Hartmann

Im „Birgit und Bier“ am Schleusenufer weiß man nie so genau, wo man eigentlich gelandet ist. Das geht ja schon los bei der Frage, ob man hier noch in Kreuzberg oder doch schon in Treptow ist.

Dann tritt man in den Laden ein und wird sofort verschluckt von diesem Ort, bei dem man augenblicklich jede Orientierung verliert. Von einem Dancefloor zum anderen zu finden ist hier ein echtes Kunststück, Gruppen, die sich aus den Augen verlieren, werden nie wieder zusammenfinden. Der Laden ist dermaßen verwinkelt und weitläufig, dass man sich vorkommt wie in einem Labyrinth.

Wie viele Floors es nun wirklich gibt im „Birgit & Bier“, kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht drei, vielleicht zehn, vielleicht auch nur einen einzigen.

Auch das Programm verschafft einem nur schwer Klarheit darüber, was genau vom „Birgit & Bier“ zu erwarten ist. Dieses Wochenende zum Beispiel: tagsüber Sushi-Festival, nachts Karneval-der-Kulturen-Clubprogramm mit DJs. Clubprogramm bedeutet: Tanzen im Keller, Techno, alles typisch Berlin. Dann aber wieder raus in das Biergartenambiente – ein ständiger Wechsel zwischen Trockeneis und frischer Luft, der den Kreislauf schlaucht, ist die Folge. Man weiß dann nie, ob man eher zu MDMA oder doch nur zur Bierpulle greifen soll.

Dazwischen eine Tischtennisplatte, ein Daddelautomat, man wird ganz matt von all den Möglichkeiten, seine Zeit neben dem Aufenthalt auf dem Dancefloor zu vergeuden. So richtig lässt man sich dann am Ende aber auf gar nichts ein, säuft nicht wirklich und ravet nur so nebenbei.

Früher war ein Club ein Club und ein Biergarten ein Biergarten, das ist heute anders in Berlin, alles ist flüchtiger, grenzüberschreitender, in den Neunzigern hätte man wohl gesagt: postmoderner. Das lässt sich dann auch beim sogenannten Berliner Punk Rock Market am Sonntag im Friedrichshainer Cassiopeia feststellen.

Schon am Eingang schlürft der erste Punk einen Erdbeer-Daiquiri, wenn mich meine Sinne nicht getäuscht haben, sogar einen mit Schirmchen im Cocktailglas. Was ist bloß aus den guten, alten Bierpunks geworden, fragt man sich dann gleich mal.

Der Punkmarkt-DJ legt anständigen Punk auf, das schon, Buzzcocks und Ähnliches, die Wahl der Musik beim Einkaufsbummel prägt schließlich das Shoppingverhalten, das weiß auch jeder Supermarkt-Betreiber. Aber was für Platten wollen die einen Punks den anderen hier, bitte schön, auf diesem Motto-Flohmarkt andrehen?

Tatsächlich auch welche von den Rolling Stones und den Grate­ful Dead, von Altrockern und Hippies. Dafür, dass Alben solcher Bands von Punkfans nicht abgrundtief verachtet werden und mit zum Warensortiment gehören, ist Sid Vicious doch wirklich nicht gestorben.

Klamotten, Pins, Badges, alles, was der Punker von heute so für seine Ausstattung braucht, kann hier erstanden werden. Jeans für zwei Euro bietet einer an, da ist zumindest der Preis ziemlich punkig.

An einem Stand wird Zeugs für Solizwecke verkauft, an einem anderen T-Shirts mit feministischen Slogans vorne drauf. Alles irgendwie Punk oder auch nicht. Am Ende nehme ich eine Platte mit, „Wake of the flood“ von den Grateful Dead. Als echter Punk werde ich diese natürlich zu Hause rituell zerbrechen.