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Zwiespalt Wasist eigentlichso schlimm daran, dass Unternehmen Journalismus machen?„Es geht um Absatz,nicht um Meinungsbildung“

Interview Lorenz Horn

taz.am wochenende: Herr Frühbrodt, immer mehr Unternehmen bringen eigene Medien heraus. Was soll das bringen?

Lutz Frühbrodt: Das ist ein Trend, der vor einigen Jahren eingesetzt hat und sich immer mehr verstärkt. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien haben die Unternehmen entdeckt, dass sie nicht mehr allein auf die klassischen Medien angewiesen sind, sie können sie umgehen und den Kunden direkt erreichen. Bei den sozialen Medien kommen vor allem die Marketingabteilungen zum Zuge. Die Inhalte wirken dadurch häufig sehr emotional. Oft sollen sie aber von der äußeren Anmutung her wie Journalismus wirken.

Welche deutschen Unternehmen produzieren die überzeugendsten eigenen Medien?

Nur ein Beispiel: Die großen Autobauer sind mit vielen eigenen Videokanälen und preisgekrönten Themenseiten im Internet präsent. Daimler hat vor Kurzem den bekannten Blogger Sascha Pallenberg engagiert. Das Kalkül ist ganz klar: Sascha Pallenberg soll so viele seiner eigenen Anhänger zu Daimler ziehen wie möglich.

Schützt dieses Umgehen von Journalisten die Unternehmen vor kritischer Berichterstattung?

Nein, auf keinen Fall. Sie sehen das jetzt gerade in den USA. Dort versucht ein Präsident, eine ganze Medienlandschaft niederzuringen, was aber überhaupt nicht funktioniert. Die Widerstände werden umso größer. Ich glaube, das ist auch gar nicht das Ansinnen der Unternehmen. Es geht ihnen eher darum, Marketingbotschaften für ihre Produkte im öffentlichen Raum zu platzieren und das eigene Image aufzupeppen. Potentielle Kunden sollen direkter und unmittelbarer erreicht werden – bevorzugt in einer Machart, die nach Journalismus aussieht, aber keiner ist. Was die Unternehmen machen, ist aber nicht nur eine Konkurrenz zum Journalismus, sondern auch zur klassischen Werbung. Der Absatz ist dabei wichtiger als der Zustand der öffentlichen Meinungsbildung.

Das ist ja nichts Neues. Worin liegt das Problem?

Das Problem ist vor allem die mangelnde Transparenz. Bei Bayern.tv zum Beispiel – das ist der Fernsehsender des FC Bayern München – ist immerhin deutlich gekennzeichnet, dass da ein Fußballverein kommuniziert. Wenn Sie das empfangen wollen, müssen Sie zudem ein Abo abschließen, also dafür bezahlen. Die meisten Unternehmen setzen jedoch auf kostenlose Angebote und darauf, dass der Medienkonsument die Inhalte akzeptiert, egal von wem sie stammen. Beispielsweise betreiben mehrere Mobilfunkunternehmen scheinbar neutrale Onlinemagazine, die dann aber auch Links zu ihren Onlineshops haben. Das Unternehmen versteckt sich im Impressum oder ganz weit unten auf der Seite.

Wie glaubwürdig können diese Medien dann überhaupt sein?

Die Marketingabteilungen wissen, dass sie nicht so glaubwürdig sind wie etablierte Medien, sie setzen aber auf einen Gewöhnungseffekt beim Konsumenten, darauf, dass er die Inhalte irgendwann gleichsetzt mit klassischem, unabhängigem Journalismus. Das ist aus meiner Sicht die große Gefahr. Der Gesetzgeber hat das aber auch erkannt. Der Kulturausschuss des Europaparlaments hat gerade formuliert, was er in die neue audiovisuelle Richtlinie der Europäischen Union reinschreiben will. Darunter auch, dass für Videoplattformen wie YouTube dieselben Regeln gelten sollen wie für das Fernsehen: Werbung muss deutlich gekennzeichnet sein.

Wenn immer weniger Menschen für unabhängigen Journalismus bezahlen wollen und lieber kostenlose Inhalte von Unternehmen nutzen, gibt es dann irgendwann gar keine neutrale Berichterstattung mehr?

Lutz Frühbrodt

wurde 1962 in Berlin geboren und ist Publizist, Medienkritiker und Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt.

Nein, so krass kann man das sicherlich nicht sagen. Die klassischen Medien verlieren durch diese Entwicklung an Bedeutung, aber Informationen, vor allem politische, die über ein etabliertes Medium gespielt werden, haben nach wie vor eine besondere Glaubwürdigkeit. Das wird auch so bleiben. Aber: Die Unternehmen legen insgesamt weniger Wert auf Pressearbeit. Schon jetzt klagen Journalisten berechtigterweise darüber, dass sie bei Anfragen an Unternehmen oftmals länger warten müssen, weil diese verstärkt offensiv kommunizieren und vor allem ihre eigenen Themen setzen wollen.

Hat es vielleicht auch Vorteile, wenn Unternehmen und Kunden direkt kommunizieren?

Wenn es um klar erkennbare Werbebotschaften geht: kein Thema! Warum dann noch einen medialen Umweg nehmen? Beim sogenannten Unternehmensjournalismus könnte man sagen, die direkte Kommunikation fördert die Meinungsvielfalt und an einigen Stellen auch die Wettbewerbssituation zu den klassischen Medien, zum Beispiel im Verbraucher- und Lifestyle-Journalismus. So werden die klassischen Medien noch mehr gezwungen, neutral und unabhängig zu bleiben und sich nicht PR-Einflüssen auszusetzen, auch wenn das vielleicht den ein oder anderen Anzeigenkunden mehr bringt. Auf Dauer betrachtet, würde diese Trennung das Alleinstellungsmerkmal der klassischen Medien hervorheben.

Trauen Sie den Zuschauern und Lesern zu, dass sie Journalismus von Werbung unterscheiden können?

Die Unternehmen argumentieren gern so. Und tatsächlich sind die Mediennutzer auch misstrauischer geworden. Es gibt dennoch viele Medienkonsumenten, die nicht sehr souverän und medienkompetent im Internet unterwegs sind. Wenn sie nach Informationen suchen, schauen sie vielleicht nicht immer ins Impressum. Denen müsste man das beibringen. Die ganze Entwicklung lastet dem Verbraucher leider zusätzliche Verantwortung auf.

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