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zwischen den rillenFinstere Designer-Mönche

Shobaleader One: „Shoba­leader One“ (Warp/Rough Trade)

Man hatte ja schon seit Längerem den Verdacht, dass es das ist, was sich Tom Jenkinson alias Squarepusher eigentlich immer am meisten gewünscht hat – nun hat er sich diesen Herzenswunsch erfüllt: 22 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung als irrer Elektronik-Erneuerer präsentiert der britische Produzent und Musiker der Öffentlichkeit sein ganz eigenes Einmann-Mahavishnu Orchestra. Es heißt: Shobaleader One.

Dieser Squarepusher hatte einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran, dass sich Jazz, Rock oder Fusion in der leistungsorientierten Hochgeschwindigkeitsvariante schon in den neunziger Jahren vom Schindanger der Popgeschichte davonstehlen und in das elektronische Drum-’n’-Bass-Universum einschleichen konnte. Auf einmal fanden sich da plötzlich programmierte Beats, die frappierend den Vierundsechzigstel-Weltrekordversuchen von Billy Cobham und Alphonze Mouzon ähnelten. Und Squarepusher packte auch gerne mal seinen Bass aus und ließ ihn schmatzen wie weiland Stanley Clarke.

Nach allerlei anderen Ausflügen, etwa in die Welt der Neuen Musik oder der Rockbands, kommt Squarepusher nun auf dieses Arbeitsgebiet zurück. Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, hat doch der anderthalb Generationen jüngere US-Bassist und Produzent Thundercat vor Kurzem auf seinem viel beachteten Album „Drunk“ seine Vorstellung eines Fusion-Revivals mit menschlichem Antlitz präzisiert.

Um die Menschlichkeit geht es Squarepusher allerdings weniger. Der charmante Sunshine-Pop-Anteil des Kaliforniers Thundercat wird bei ihm durch eine düstere Industrial-Ästhetik ersetzt. Im Zentrum steht jedoch die Freude am Gegniedel, während das Ausgangsmaterial nach Fusion-Maßstäben eher durchschnittlich und erstaunlich wenig risikofreudig ist.

Das Abenteuer, in die Tiefen dieser für immer unrettbar versunken geglaubten Kultur einzutauchen, ist womöglich aufregend genug. Punkten kann Shobaleader One vor allem bei der visuellen Komponente: Statt verschwitzt posierender Virtuosen bekommt man hier vier entindividualisierte Gestalten in identischen futuristischen Designer-Mönchskutten zu sehen, deren Gesichter von riesigen Brillen mit nervös und unsynchron Muster abfeuernden LED-Displays regiert werden. Diese finsteren Sci-Fi-Mönche möchte man schon gerne die Jazz-Festivals der Welt aufmischen sehen.

Detlef Diederichsen

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