: Sozis wollen mehr von allem
HALBZEIT Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat ein fünfzigseitiges Positionspapier erarbeitet. Das birgt Konfliktstoff mit den Grünen
Nach ihrer „Halbzeitklausur“ hat die SPD-Bürgerschaftsfraktion gestern die Ergebnisse ihrer Beratungen präsentiert. Dabei ging es vor allem um die Bilanzierung bisheriger Anstrengungen in der Arbeits-, Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik – die Finanz- und Gesundheitspolitik blieb außen vor. Über sie wird später gesprochen.
Die sozialdemokratische „Standortbestimmung“, so Sybille Böschen, blieb trotz des 50 Seiten langen Positionspapiers eher vage: Mehr Jobs für Geringqualifizierte, mehr Investitionen in Bildung, mehr Gerechtigkeit in der Sozialpolitik – das sind altbekannte SPD-Themen.
Dort, wo es richtig konkret wurde, lauert Konfliktpotenzial mit dem grünen Koalitionspartner: So kündigte Mustafa Güngör an, dass die in der Koalition vereinbarte Abschaffung der Fritz-Gansberg-Schule 2018 nicht zu realisieren sei. Das Zentrum für sozial-emotionale Förderung sollte im Rahmen der Inklusion abgeschafft werden. Nun sagte Güngör, die Inklusion solle „ohne Hektik“ ausgebaut werden – und die Schule vermutlich sogar saniert werden. Ohnehin soll künftig deutlich mehr Geld in Bildung investiert werden, bis 2020 sollen 55 neue Kitas und sechs zusätzliche Grundschulen entstehen.
Dem Lehrermangel will die SPD mit neuen Anreizen für Auswärtige Lehrer begegnen: Denkbar seien, so Güngör, ein Zuschuss zu den Umzugskosten, Entlastungsstunden für die erste Zeit in Bremen, die die neuen Lehrkräfte zur Kitaplatz-Suche nutzen können oder auch eine deutliche Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung unter das Niveau von Niedersachsen.
Weiteren Diskussionsbedarf wird es voraussichtlich auch über die Wohnungsbaupolitik geben: Einig sind sich zwar alle darin, dass „bezahlbarer Wohnraum“ geschaffen werden muss; die Frage ist nur, wo. Die SPD-Fraktion hält weiter an der Idee fest, auch Kleingartengebiete umzuwidmen. „Bremens größter Kleingartenverein hat 1.400 Mitglieder – und 40 Prozent Leerstand“, sagte Jürgen Pohlmann über den Verein „Waller Fleet“. Solch hohe Leerstandsquoten seien auch für die Vereine schlecht, man wolle die Entwicklung der Gebiete jedoch „nicht gegen die Vereine, sondern mit ihnen“ vorantreiben.
Zu den „sozialdemokratischen Kernaufgaben“ zählte Dieter Reinken weiterhin die Sicherstellung von Wirtschaftswachstum – auch das ist in Bremen unter anderem ein Flächenproblem. Immerhin sollen künftig Gewerbeflächen entwickelt werden, bevor ein Investor sich dafür interessiert – damit das Investoreninteresse nicht während langwieriger Genehmigungsverfahren wieder abflaut. Zumindest rätselhaft in diesem Zusammenhang ist die Äußerung Reinkens, wonach „Bremen ja nicht an der Landesgrenze“ aufhöre – Expansionsbestrebungen nach Niedersachsen sind bislang aber nicht Teil der SPD-Halbzeitbilanz. KMS
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