Die FDP gegen das Volk

Energienetze Die Liberalen wollen die Uhr zurückdrehen: Ginge es nach ihnen, würde der rot-grüne Senat die vom Volk beschlossene Rekommunalisierung der Netze stoppen

Knapper, aber klarer Sieg: die Unterstützer des Volksentscheides im September 2013 vor dem Rathaus Foto: Christian Charisius/dpa

von Sven-Michael Veit

Den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze möchte die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft gern unterlaufen. In einem Antrag für die Plenarsitzung am Mittwoch fordert sie ein Moratorium. Der Rückkauf des Gas- und des Fernwärmenetzes solle solange ausgesetzt werden, „bis die von den Befürwortern des Volksentscheides stets propagierte Wirtschaftlichkeit sichergestellt ist“, heißt es in dem Antrag. Der rot-grüne Senat sollte nicht „mit schlechten Deals ein weiteres Millionengrab für Steuergelder schaufeln“, begründet FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Kruse den Vorstoß.

Das Versprechen der Befürworter beim Volksentscheid 2013, die Kredite für den Kauf der Netze seien mit den gewinne aus dem Netzbetrieb rasch zurückzuzahlen, könne nicht eingelöst werden, schließt Kruse aus einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage. Danach habe die seit 2015 wieder in städtischem Besitz befindliche Strommetz Hamburg GmbH seitdem keineswegs Gewinne gemacht, sondern mindestens vier Millionen Euro Verlust.

Deshalb seien die Voraussetzungen für den noch nicht vollzogenen Rückkauf des Gas- und des Fernwärmenetzes „neu zu bewerten“, findet die FDP: „Der vorgesehene Erwerb der beiden Netze ist daher so lange zu verschieben, bis ein verbindlicher Tilgungsplan für die aufgenommenen beziehungsweise noch aufzunehmenden Kredite vom Senat erstellt und von der Bürgerschaft beschlossen wird“, fordert ihr Antrag.

Beim Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ im September 2013 hatte eine knappe Mehrheit entschieden, dass der damalige SPD-Senat die drei Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme von den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse zurückkaufen solle (siehe Kasten). Das Stromnetz wurde bereits 2015 rekommunalisiert, der Kaufpreis betrug rund eine halbe Milliarde Euro. Der für 2019 angepeilte Rückkauf des Gas- und des Fernwärmenetzes dürfte weitere eineinhalb Milliarden Euro kosten. Die entsprechenden Kredite erhöhen die allgemeine Verschuldung der Stadt, die gegenwärtig bei rund 24 Milliarden Euro liegt. Diese weitere Verschuldung will die FDP nun stoppen.

Beim Volksentscheidam 22. September 2013 sprach sich eine Mehrheit von 50,9 Prozent der abstimmenden HamburgerInnen dafür aus, die drei Versorgungsnetze zu rekommunalisieren, also in die öffentliche Hand zu überführen.

Das Stromnetz: Es ist rund 27.000 Kilometer lang. Angeschlossen sind 1,12 Millionen Zähler. Betreiber war Vattenfall, seit 2015 ist es die Stadt Hamburg.

Das Fernwärmenetz: Es ist rund 800 Kilometer lang und versorgt rund 450.000 Wohnungen mit Heizung und Warmwasser. Betreiber ist noch Vattenfall.

Das Gasnetz: Es ist rund 7.300 Kilometer lang und versorgt etwa 150.000 Haushalte mit Erdgas. Betreiber ist noch Hansewerk, vormals Eon Hanse.

Die Umweltbehörde indes interpretiert die Bilanzen der Stromnetz GmbH völlig anders. Sie geht in den nächsten Jahren von steigenden Gewinnen aus. Die Zinsen und Tilgung des Kredits für den Rückkauf könnten aus diesen Überschüssen pro­blemlos gedeckt werden. Zudem zahle das Unternehmen für die Nutzung öffentlicher Wege und Flächen für seine Leitungen pro Jahr mehr als 90 Millionen Euro Konzessionsabgabe an die Stadt und investiere bis Mitte des nächsten Jahrzehnts rund zwei Milliarden Euro, um das Netz moderner, leistungsfähiger und umweltfreundlicher zu machen.

Die FDP verkenne vollkommen, „dass Stromnetz Hamburg ein krisenfestes Unternehmen ist und eine zentrale Infrastruktur dieser Stadt sehr verantwortlich managt“, kritisiert Manfred Braasch. Der Chef der Hamburger Umweltorganisation BUND war 2013 einer der Sprecher der erfolgreichen Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Es könne keinen Zweifel geben, dass dieser Volksentscheid auch bei den Gas- und Fernwärmenetzen umgesetzt werden müsse: „Der Senat steht hier im Wort“, so Braasch.