piwik no script img

Hauptsache, bunt und optimistisch

Gedenken Perkussionist Souleymane Touré war der große Showman der Berliner Global-Pop-Szene. Im April ist der 1938 geborene Ivorer gestorben. Weggefährten und Freunde erinnern nun mit einem Konzert an ihn

von Guido Schirmeyer

Mit dem Tod des Meistertrommlers Souleymane Touré hat Berlins Musikszene eine ihrer schillernsten Figuren verloren. Souleymane Touré konnte nicht lesen und nicht schreiben, und er war auch kein Mann der vielen Worte. Dafür ließ er seine Trommeln sprechen. Mit seiner „Talking Drum“ war Touré äußerst schlagfertig, und sein Publikum bekam von ihm stets ordentlich was auf die Ohren – darauf war Verlass!

„Music is my life!“ Diesen Satz, ganz langsam gesprochen, verkündete Souleymane gern bei seinen unzähligen Auftritten. Der Satz klang dann wie eine alte afrikanische Weisheit. Ein Vierteljahrhundert rockte der Trommler aus Abijan (Elfenbeinküste) regelmäßig Berlins Bühnen, zum Beispiel das A-Trane, das Yorckschlösschen und das Quasimodo. Touré trommelte auf allen Hochzeiten, selbst Dorfkonzerte, bei denen Neonazis zugegen waren, absolvierte der Virtuose in den Neunzigern ohne Scheu. So manches Mal verbrüderten sich Skinheads, gemeinsam Bierchen zischend, mit dem schwarzen Touré.

Aufgebrezelt trat Souleymane stets auf. Aberwitzige Kostümierungen, strassbesetzter Cowboyhut zu knallroten Schlangenlederstiefeln, dazu große funkige Sonnenbrille. Gern auch viele Ketten am Hals, Gold ging immer. Touré war von Beruf Paradiesvogel. Zivil trug er afrikanische Gewänder, Hauptsache, bunt und optimistisch.

Ein Vollblutmusiker

Souleymane Touré war der geborene Showman, Vollblutmusiker, selbst zuletzt, sterbenskrank, 17 Jahre nach der Prostatakrebs­diagnose. Geklagt hat Touré nie, lieber getrommelt, bis zum bitteren Schluss. Breit gefächert war sein Musikstil, Touré beherrschte die ganze Klaviatur, die ganze Palette an Rhythmen, wechselte die Stile wie seine Gewänder.

Zirka 1938 in einem nordnigerianischen Dorf als Sohn einer Griot-Familie geboren, die Eltern schon als Kind verloren, verschlug es den kleinen Souleymane in die Hauptstadt von Côte d’Ivoire. Die Aufnahme ins dortige sehr wichtige Radio- und Fernsehorchester bahnte Tourés Karriere. Früh lernte er Stevie Wonder kennen, der Touré beim zweiten Besuch an seinem Händedruck wiedererkannte. Touré arbeitete mit Stars wie Miriam Makeba und Salif Keïta zusammen. Als Bandleader des Superstars Alpha Blondi war Touré 1982 an dessen Reggae-Welthit „Brigadier Sabari“ beteiligt. Tantiemen flossen für ihn nie.

Durch Birgit Hohmeier-Tou­ré, Mitarbeiterin des Goethe-Instituts und Tourés erste Ehefrau in Abijan, kam er nach Berlin. 1992 landete Touré in Tegel – und wurde umgehend ins Haus der Kulturen chauffiert, wo ihn Joachim Helbig empfing. Der damalige Leiter der Abteilung für Musik, Tanz und Thea­ter setzte den virtuosen Perkussionisten für eine CD-Aufnahme mit Aïcha Koné ein und kommentiert heute Tourés Tod: „Papa Souleys Percussion ist große Kunst, vergleichbar mit unserer klassischen Musik!“ Mit Folgeengagements habe er damals für Tourés Visumverlängerung gesorgt. „Wie lange wollen Sie denn noch bei uns Musik machen?“, fragte der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde bei einer Deutschprüfung. Touré sprach kein Wort Deutsch, aber als er die Vokabel „Musik“ vernahm, sprang er vom Stuhl und beschwor den Sachbearbeiter inbrünstig: „Music? Music is my life! Music is everything for me! Everthing!“ Der Sachbearbeiter konnte Touré nur noch den Stempel in den Pass drücken.

Konzert für Souleymane

Am morgigen Sonntag findet im Red Ballroom in Schöneberg ein Memorialkonzert für Souleymane Touré statt. Insgesamt haben sich über 70 Musiker angekündigt, allen voran Queen Yahna. Organisiert wird das Gipfeltreffen der Berliner Weltmusik-Jazz-Szene von Maja Joel, die Veranstaltung geht auf dem Dach desRed Ballroom Intercultural Diplomacy (Genthiner Straße 20) über die Bühne. Beginn um 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

Alles wird neu

Seinen allerletzten Auftritt hatte Souleymane Touré im März im Badenschen Hof. Und schon kurz darauf spielte Tourés Herzensprojekt, seine Combo „Easy Goin’“, am selben Ort, zum ersten Mal nach 23 Jahren ohne ihn am Schlagzeug. Tourés Frau Maja Joel und Tochter Djatou kündigten einen Nachfolgedrummer an. Die Musiker rangen um Fassung.

„Everything gonna be new“, waren die letzten Worte Souleymane Tourés in seiner Charlottenburger Wohnung. Er starb am 20. April. Und in diesem Moment im Badenschen Hof dachten das wohl viele im Raum mit einem Kloß im Hals: Alles wird neu, ohne Touré.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen