piwik no script img

„Es hat Denkmuster aufgebrochen“

Till Steffen Der grüne Justizsenator hat mit CDU und SPD regiert: FDP wäre eine neue Erfahrung

dpa
Till Steffen

43, grüner Justizsenator in Hamburg von 2008 bis 2010 in der schwarz-grünen Koalition; seit 2015 bekleidet er dasselbe Amt erneut im rot-grünen Bündnis.

taz: Herr Steffen, gibt es prinzipielle Unterschiede zwischen grüner und schwarzer Innen- und Justizpolitik?

Till Steffen: Ja, es gibt generell große Unterschiede, die CDU formuliert sehr oft Vorstellungen, die mit grüner Politik nicht auf einer Linie liegen. Uns sind der Schutz der Bürgerrechte im Rechtsstaat und eine offene, gerechte Gesellschaft wichtig. Da haben wir oft erhebliche Differenzen, in der Landespolitik ebenso wie gerade auch mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Zum Beispiel?

Da ist zunächst mal natürlich die Integrationspolitik samt der unseligen Leitkulturdebatte, die de Maizière jetzt wieder aufgewärmt hat. In der Asyl- und Abschiebepolitik liegen wir weit auseinander, das gilt so ähnlich auch zum Beispiel bei Fragen von Vorratsdatenspeicherung, Rasterfahndung, Datenschutz. Das alles schlägt natürlich auch auf die Landesebene durch.

Sie waren Justizsenator in der Hamburger schwarz-grünen Koalition zusammen mit dem CDU-Hardliner Christoph Ahlhaus, der erst Innensenator war und schließlich Bürgermeister. Erinnern Sie sich an Konflikte?

Der schärfste war sicher die teilweise Rücknahme der vom vorhergehenden CDU-Senat beschlossenen Hamburger Polizeigesetze, die „schärfsten in Deutschland“, wie Ahlhaus selbst sie genannt hatte. Da mussten wir lange und heftige Debatten führen, um das wieder zu entschärfen.

Herrscht denn zwischen Grünen und Liberalen auf diesen Feldern weitgehende Übereinstimmung?

Es ist sicher so, dass die FDP nicht mehr die Bürgerrechtspartei aus alten Zeiten ist und da heute weniger engagiert ist. Aber es gibt Punkte, wo Grüne und Liberale näher beieinander sind als beide gegenüber der SPD und erst recht der CDU.

In einer Koalition aus CDU, Grünen und FDP würden also vermutlich die beiden kleineren Partner geschlossen dem größeren gegenübertreten?

Zumindest besteht diese Chance. Andererseits besteht vor allem in der Steuerpolitik die größtmögliche Distanz zwischen FDP und Grünen. Da kommt die FDP wirtschaftsliberal daher und ich vermisse einen sozialliberalen Ansatz. Wir setzen uns für mehr soziale Gerechtigkeit ein und wollen gleiche Chancen für alle Kinder. Auch in ökologischen Fragen ist die FDP immer sehr weit weg von unseren Ansichten und Vorstellungen. Da gibt es große Spannungsfelder.

Was war an Schwarz-Grün in Hamburg eigentlich gut?

Es hat Denkmuster aufgebrochen. Bei der CDU ist damals viel in Bewegung geraten in ökologischen Fragen und in puncto kultureller und gesellschaftlicher Vielfalt. Auf der atmosphärischen Ebene ist dadurch vieles bewegt und das Lagerdenken überwunden worden. Das ist hilfreich, weil wir in vielen Fragen größtmögliche gesellschaftliche Akzeptanz brauchen, um eine allseits akzeptierte Grundlage zu haben. Das ist nicht nur ein symbolischer Fortschritt.

Geben Sie einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein eine Chance?

Das müssen die Beteiligten dort selbst ausloten. Aber sie sollten sich von vornherein die Frage stellen: Welchen Umgang miteinander wollen wir pflegen und wie wollen wir mit möglichen Konflikten ergebnisorientiert umgehen?

Wäre Jamaika nach der Bundestagswahl eine Möglichkeit im Bund als Alternative zur Großen Koalition?

Wir Grüne machen in unterschiedlichsten Konstellationen gute Arbeit. Wir zeigen in den Ländern, dass wir mit unseren Kernthemen Umwelt, Freiheit und soziale Gerechtigkeit einen Unterschied machen. Das ist für mich eine Voraussetzung für jede Regierungsbeteiligung.

Interview Sven-Michael Veit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen