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Rappen gegen den Femizid

Latin Rap Die Soziologin, Aktivistin und Rapperin Rebeca Lane setzt sich in Guatemala für Frauenrechte und die Aufarbeitung des Bürgerkriegs ein. Nicht allen gefällt das

HipHop mit indigenem Einschlag: Rebeca Lane Foto: Paula Morales

von Daniel Bax

Wenn Rebeca Lane irgendwo ein Konzert gibt, wo sie noch nie zuvor aufgetreten ist, ob vor Studenten in den USA oder in einem Club in Berlin, dann bietet sie vor Beginn gern einen Workshop an, um über die aktuelle Situation in Guatemala zu informieren. „Ich möchte meine Musik gerne in einen Kontext setzen“, erklärt sie am Morgen nach ihrem ersten Auftritt in Berlin im Foyer ihres Backpacker-Hotels. „Und dazu gehört, dass Zentralamerika für Frauen eine der gefährlichsten Gegenden der Welt ist. Guatemala weist eine der höchsten Raten an Frauenmorden weltweit auf – neben Nachbarländern wie El Salvador und vor Honduras.“ Gewalt gegen Frauen ist dort alltäglich, die Mehrheit der Verbrechen wird nie geahndet.

Rebeca Lane ist klein und hat schwarze Locken, trägt einen Nasenring und Tätowierungen auf Armen und Beinen, häufig einen Trainingsanzug und manchmal eine Brille. Damit wirkt sie zugleich street tough und intellektuell, und das ist sie auch. Denn die 31-Jährige ist nicht nur Rap-Poetin und Aktivistin, sondern auch studierte Soziologin. Mit ihren Songs erhebt sie die Stimme gegen diese geschlechtsspezifische Form der Gewalt, für die es sogar ein eigenes Wort gibt: Femizid.

„Ich war bloß ein HipHop-Fan, der an Festivals teilgenommen und sich viele Jahre in der Szene engagiert hat“, erzählt sie. „Dann habe ich Soziologie studiert und Essays über die HipHop-Kultur verfasst, bekam eine eigene Radiosendung, und so wurde ich bekannt.“ Doch seit sie sich als Feministin bezeichnet, wird sie von der HipHop-Community in Guatemala geschnitten und nicht mehr auf deren Festivals und Events eingeladen. Dafür erfährt sie viel Zuspruch von Frauengruppen, Feministinnen und dem Rest der Musikszene. „Auch im Ausland habe ich viele Fans, bekomme viel Liebe und Aufmerksamkeit“, sagt Rebeca Lane.

Bekannt wurde Rebeca Lane mit dem Song „Cumbia de la Memoria“, der an die Verbrechen während des 36 Jahre währenden Bürgerkriegs und die genozidalen Massaker an der indigenen Maya-Bevölkerung erinnert. 200.000 Menschen kamen seit Beginn der Kämpfe 1960 ums Leben, Millionen mussten flüchten oder wurden vertrieben, ganze Landstriche wurden bombardiert. Obwohl der Bürgerkrieg in Guatemala offiziell 1996 endete, sind diese Verbrechen nie aufgearbeitet worden, geschweige denn gesühnt.

Der Song „Cumbia de la Memoria“ findet sich auch auf ihrem neuen Album „Alma Mestiza“ („Mestizo-Seele“) – dem ersten, das auch im Ausland erscheint. Daneben enthält es Emanzipationshymnen wie „Este Cuerpo es mío“ („Dieser Körper gehört mir“) und die Reggae-Ballade „Desapericidxs“, eine Ode an die vielen „Verschwundenen“ des Bürgerkriegs. Rebeca Lane berührt das Thema persönlich: Auch eine Tante von ihr wurde 1981 entführt und blieb seitdem verschwunden.

Guatemala weist eine der höchsten Raten an Frauenmorden weltweit auf

Bewusst greift Rebeca Lane für ihren melodischen HipHop auf indigene und andere lokale Einflüsse zurück. „Ich bringe das afro-lateinamerikanische Erbe zurück in die Hiphop-Musik“, sagt sie selbstbewusst. „Wir haben in Lateinamerika so eine reiche Tradition, unsere ganze Musik ist eine Musik des Widerstands.“ Und auch die HipHop-Kultur in den USA sei schließlich von Anfang an lateinamerikanisch geprägt gewesen: „Die ersten B-Boys waren Latinos, und Breakdance geht nicht zuletzt auf afro-lateinamerikanische Einflüsse zurück“, referiert sie. „Aber MTV hat HipHop so aussehen lassen, als ob es nur ein schwarzes Ding wäre.“

In ärmeren Stadtvierteln von Guatemala-Stadt bringt Rebeca Lane heute jungen Frauen als HipHop-Lehrerin bei, ihren eigenen Weg zu finden. „Manche Männer mögen das nicht“, sagt sie. „Sie warnen die Mädchen: Geh da nicht hin, du wirst sonst lesbisch“, erzählt sie. „Bei uns herrscht große Armut, und wo es an Bildung fehlt, befördert das die Ignoranz. Und die Männer bei uns haben Angst vor selbstbewussten Frauen“, analysiert sie die Gründe für die ausgeprägte Machokultur in Mittelamerika. Mit ihrer Musik setzt sie ein Gegengewicht.

Auch in den USA ist sie häufiger zu Gast, dort tritt sie etwa vor Studenten oder lokalen Initiativen auf. Aber auch dort hat sich das Umfeld nach den Präsidentschaftswahlen deutlich verdüstert. „Die Latin-Community in den USA wird es in den kommenden Jahren unter Trump sehr schwer haben“, fürchtet sie.

Rebeca Lane: Alma Mestiza (Mi Cuarto Studios/flowfish)

Konzerte: 24. 6. Leipzig, 25. 6. Hamburg, 1. 7. Leverkusen, 5. 7. Düsseldorf, 7. 7. Bremen