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Falsche Anreize

Warum steigt die Zahl der Kaiserschnitte?

Die Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, 2015 wurde mit 222.919 Kaiserschnitten ein Höchststand erreicht. In 15 Jahren hat sich ihr Anteil an allen Geburten verdoppelt – von 15 Prozent 1991 auf über 30 Prozent 2015, allerdings gibt es große regionale Unterschiede.

Über die Gründe für die starke Zunahme streiten sich die Experten. Zunehmende Arbeitsbelastung bei immer weniger Personal in den Kreißsälen (siehe Seite 51 unten) spielt dabei wohl ebenso eine Rolle wie die Angst vor Fehlern in der Geburtshilfe. Auch die steigende Zahl von Mehrlingsgeburten trägt zu mehr Kaiserschnitten bei. Die Grünen wollen das ändern. In einem von der Bundestagsfraktion im April beschlossenen Positionspapier fordern sie, dass Hebammen und Ärzte verstärkt für Mehrlingsgeburten und Risiken wie die Beckenendlage trainiert werden.

Und sie sprechen einen weiteren heiklen Punkt an: Kaiserschnitte sind für Kliniken attraktiv, weil es dafür mehr Geld gibt. Die Grünen fordern darum, dass die Vergütung für natürliche Geburten an die von Kaiserschnitten angepasst wird. Zudem sollen die Kliniken verpflichtet werden, ihre Kaiserschnittraten öffentlich zu machen. „Nur 10 Prozent aller Kaiserschnitte sind absolut zwingend“, heißt es in dem Papier.

Dass das Vergütungssystem falsche Anreize setzt, darauf liefert auch eine Studie des wissenschaftlichen Instituts der Techniker Krankenkasse (TK) Hinweise. Untersucht wurde dabei, wie sich die seit 2010 geltende Regelung ausgewirkt hat, dass nicht geplante Kaiserschnitte, etwa nach Komplikationen, höher vergütet werden als geplante. Tatsächlich ist die Zahl der ungeplanten Kaiserschnitte demnach von 2010 bis 2014 kontinuierlich gestiegen – von 51,4 Prozent auf 55,7 Prozent. OS