: Kiel verhindert die Katastrophe
Kraftakt Mit einem 32:28-Sieg wehrt der THW den Angriff der Füchse Berlin ab. Kiel wird wohl auch in der kommenden Saison Champions League spielen. Damit wäre das minimalste aller Minimalziele erreicht
Aus Kiel David Joram
Hein Daddel war so ziemlich der einzige Kieler, der sich vom Berliner Torwart Silvio Heinevetter nicht aus der Ruhe bringen ließ. Das Maskottchen des THW Kiel, ein Zebra mit dickem Hinterteil, wackelte wie gewohnt über die Tribünen, wippte auf, wippte ab – und klatschte, wenn es was zu klatschen gab. Auch ein paar Muttertagsblümchen verteilte Hein Daddel so konzentriert, als hätte er den Tunnelblick erfunden.
Nur das Geschehen auf der Platte verfolgte das Maskottchen eher mäßig interessiert – obwohl es ja um so viel ging. Das Hein-Daddel-Team aus Kiel startete als Dritter ins Spiel gegen die Füchse Berlin, die nur einen Punkt und einen Platz hinter dem THW rangierten. Klar war: Wer das Duell gewinnt, würde die Chance auf Platz drei wesentlich erhöhen – und damit auf einen Startplatz in der Champions League in der kommenden Saison.
Aber Hein Daddel hat ja schon viel erlebt in der heimischen Arena, daher wohl die Coolness.
Ein paar Meter weiter unten verzweifelten derweil die vom Maskottchen beklatschten THW-Werfer an Heinevetter. Immer wieder sprang der Berliner Keeper den Kielern mit weit ausgefahrenen Armen entgegen, spreizte die Finger und zog die Bälle mit seinen großen Handflächen geradezu an sich. Dann ballte er eine Faust zum Gruß, was den jeweiligen Fehlwerfer noch mehr ärgerte. Heinevetter hielt selbst die sogenannten Unhaltbaren, darunter auch Würfe, die Kiels Spieler wie Nationalspieler Patrick Wiencek teilweise frei vor dem Berliner vergaben.
Heinevetter, ein Exzentriker, wie es im deutschen Handball keinen zweiten gibt, war geladen. Wenn ihm ein Gegenspieler, so wie des Öfteren Rune Dahmke, zu nahe kam, packte er ihn sich, schüttelte ihn kurz durch und entließ ihn mit ein paar weniger netten Verbalien wieder aus der Umklammerung. Und auf der anderen Seite erwischte THW-Keeper Andreas Wolff zunächst einen schwachen Start. Man sah ihn öfter bei seinem beratenden Torwartkollegen Niclas Landin stehen als Bälle parieren. Nach 15 Minuten aber wendete sich das Glück. Ein paar schnelle Gegenstöße sorgten schließlich für eine 18:15-Halbzeitführung. Am Ende zeigte der THW die reifere Leistung und gewann daher trotz Abschlussschwäche mit 32:28.
Heinevetter behielt auch im zweiten Durchgang die Nerven, allerdings nur in seiner Funktion als Torwart. Zunehmend kritisierte er die Schiedsrichter, die insbesondere beim Stand von 28:26 für Kiel in den Blickpunkt gerieten. „Jeder Torwart hat eben seinen Stil, damit müssen die Spieler umgehen“, zeigte Wolff Verständnis für sein Gegenüber. Zumal Heinevetters Ärger berechtigt war: Allzu kleinlich ahndeten die Referees Foulspiele der Gäste und verteilten fast so viele Zeitstrafen wie Hein Daddel Muttertagsblümchen. Kurzzeitig standen nur noch drei Berliner auf der Platte, was dem THW die nötige Sicherheit gab, um das Duell für sich zu entscheiden.
„Da lief nicht alles korrekt ab“, ärgerte sich Berlins Coach Velimir Petković später. Auf sein Team um den achtfachen Toschützen Hans Lindberg war er dennoch mächtig stolz: „Die dürfen jetzt ein Bier trinken, das ist erlaubt.“ THW-Coach Alfred Gislason, dessen bester Schütze Lukas Nilsson mit sieben Toren war, fand: „Wir hatten in der Anfangsphase unsere Schwierigkeiten, haben aber verdient gewonnen.“
Nun ist der THW voll auf Kurs Platz drei. Und das ist für die Kieler nun wirklich das Mindeste. In der Meisterschaft waren sie so früh abgeschlagen, wie man es in Kiel nicht gewohnt ist. Und in der Champions League war schon im Viertelfinale gegen den FC Barcelona Schluss. Nur das Pokalfinale haben die Kieler gegen den Rivalen SG Flensburg-Handewitt mit einem Willensakt für sich entschieden.
Könnte sein, dass dieser eine, magere Titel zusammen mit der Champions-League-Qualifikation gerade so eben ausreicht, damit Trainer Gislasson bei den Zebras weitermachen darf. Sicher ist das noch nicht.
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