: Die Stadt als Modell ertasten
Barrierefreiheit Der Bremer Architekt Thomas Hogrefe plant einen maßstabsgetreuen Nachbau der Innenstadt – damit auch Sehbehinderte die Stadt „begreifen“ können
von Pia Siber
Blinden ermöglichen, die Architektur von Bremen zu erfassen – das ist das Ziel von Thomas Hogrefe, der seit 25 Jahren Architekturmodelle baut. In vielen anderen Städten gibt es barrierefreie Stadtmodelle bereits. Sie ermöglichen Blinden, Gebäude, Plätze und Strukturen zu ertasten und sich damit das Stadtbild besser vorstellen zu können. In Bremen fehlt so etwas.
Blinde könnten mit diesem Modell die Relationen, Konturen und Silhouetten der Innenstadt erfahren und eine neue Sicht auf die Stadt erhalten. Wie ein großer ovaler Tisch würde das fertige Modell aussehen, eine maßstabsgetreue Innenstadt aus Bronze. Zusätzlich zu diesem Modell plant Hogrefe Reliefs der wichtigsten Gebäude Bremens. Beispielsweise die Frontansicht des Schüttings würde darauf ertastbar sein und ein Text in Brailleschrift könnte wichtige Fakten des Hauses erklären.
Letzten Sommer hat er seine Idee dem Bremer Blindenverein vorgestellt und viel positive Resonanz erhalten. „Das war sehr beeindruckend“, sagt Hogrefe, „alle haben sofort angefangen zu ertasten, was ihnen bisher verborgen blieb.“ Und dabei habe er ihnen nur einen kleinen, schemenhaften Prototypen seiner Idee vorgestellt.
Auch dem Landesbehindertenbeauftragten Bremens, Joachim Steinbrück, hat er dieses erste Modell bereits gezeigt. „Für mich als blinden Menschen ist das total super, mal die Stadt zu begreifen“, sagt Steinbrück. Er sei froh, dass Hogrefe diese Idee aufgreift und die Umsetzung vorantreibt. „Dieses Modell würde die Stadt bereichern“, sagt Hogrefe, „für Blinde, aber auch für Sehende“. Denn aus der Vogelperspektive auf Bremen blicken, könne man sonst auch nur selten.
Damit das Modell bestmöglich für sehbehinderte und blinde Menschen zugänglich ist, arbeitet Hogrefe eng mit dem Sehbehinderten Oliver Müller zusammen. „Als Betroffener gilt mein Interesse dem Abbau von Barrieren für sehbehinderte Menschen“, sagt Müller. Durch sein Feedback weiß Hogrefe nun, worauf er besonders achten muss. Wichtig sei, dass der Tisch auch mit dem Rollstuhl erreichbar ist, und dass die Brailleschrift gut lesbar ist. Auch müsse nicht jedes Gebäude ganz detailliert gebaut werden, viel wichtiger sei, dass die historisch wichtigen Gebäude erfühlt werden könnten.
Hogrefe wünscht sich sein Modell an einem zentralen Ort in der Innenstadt, vielleicht vor der Bürgerschaft. Offen ist die Finanzierung. Hogrefe schlägt vor, dass SpenderInnen Patenschaften für einzelne Reliefs übernehmen – ähnlich wie für die Bänke im Bürgerpark. Und für das Stadtmodell möchte er ein Crowdfunding starten.
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