Hamas gibt sich versöhnlicher

Palästina In einem Grundsatzdokument signalisiert die Hamas erstmals Bereitschaft, eine Zweistaatenlösung in Nahost zu unterstützen. Israel reagiert skeptisch

Stellte die neue Charta auf einer Pressekonferenz in Doha vor: Hamas-Chef Khalid Mischal (r.) Foto: Adel Hana/ap

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat sich die Hamas offiziell zur Gründung eines Staates Palästina allein in den von Israel besetzten Gebieten bereit erklärt. Voraussetzungen seien ein „komplett souveräner und unabhängiger“ Staat mit der Hauptstadt Jerusalem und die Rückführung der palästinensischen Flüchtlinge „in ihre Häuser“, heißt es in einer neuen, am Montagabend veröffentlichten Charta. In dem Papier entfällt die in der Gründungscharta von 1988 ausdrücklich formulierte Forderung nach einer Vernichtung Israels.

Die signalisierte Bereitschaft, sich mit zwei Staaten abzufinden, ist ein entscheidender Schritt der Hamas. Damit nähern sich die Islamisten der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) an, die Israel 1988 anerkannt und damit Grundvoraussetzungen für Friedensverhandlungen geschaffen hatte. Die Frage nach zwei Staaten ist auch ein zentraler Streitpunkt zwischen der Hamas und der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Die Hamas hatte bislang an einem Krieg um das ganze Land festgehalten.

Zwar hält die neue Charta am „legitimen Recht“ der Palästinenser fest, „die Besatzung mit allen Mitteln und Methoden zu bekämpfen“, auch in Form des bewaffneten Widerstandes. Die Zionisten werden als „rassistisch, unmenschlich und kolonialistisch“ bezeichnet.

Nichtsdestotrotz ist das Dokument erkennbar versöhnlicher, wenn es betont, dass die Hamas „keinen Krieg gegen die Juden“ und ihre Religion führt. „Wir sind bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der uns helfen kann“, sagte Khalid Mischal, Chef des Hamas-Politbüros, während der Vorstellung der Charta am Montag in Doha.

Distanz zu Muslimbrüdern

Mit Israel allerdings will die Hamas unverändert nicht verhandeln. Israel hatte nach dem Wahlsieg der Hamas 2006 drei Forderungen gestellt: die Anerkennung Israels, die Anerkennung der von der PLO unterzeichneten Verträge sowie die Abkehr von der Gewalt. Die neue Charta erfüllt keine dieser Bedingungen.

Nach Ansicht des Hamas-nahen Intellektuellen Khalid Amayreh „gehörte die Originalcharta einer anderen Ära an“. Die „schroffen“ Formulierungen gegen Nichtmuslime hätten zu Widerstand geführt. „Die Hamas war in der Defensive. Israel beschimpfte sie, antisemitisch zu sein.“ Die neue Charta müsse nun „von der arabischen Welt, allen voran von Ägypten und Saudi-Arabien, anerkannt werden“, fordert Amayreh.

„Die Hamasnähert sich dem Mainstream an“

Khalid Amayreh, Intellektueller

Ein deutliches Signal an Ägypten ist die Distanzierung von der Muslimbruderschaft, die in dem Dokument nicht mehr erwähnt wird. Das Papier hält fest, dass die Hamas „eine palästinensische, islamische, nationale Befreiungs- und Widerstandsbewegung“ ist.

Amayreh hofft zudem, dass die neue Charta den Weg zur innerpalästinensischen Versöhnung ebnen wird. „Die Hamas nähert sich dem Mainstream an. Das Volk befürwortet das.“ Seit zehn Jahren sind die Palästinenser gespalten. Die Hamas kontrolliert den Gazastreifen, die Fatah das Westjordanland.

Die neue Charta wurde kurz vor dem ersten Treffen zwischen Abbas und US-Präsident Donald Trump am Mittwoch veröffentlicht. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte skeptisch und nannte die Charta einen „Deckmantel“. Sein Sprecher David Keyes kommentierte: „Die Hamas versucht, die Welt zum Narren zu halten.“

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