heute in Bremen
: „Immer widersprechen“

Vortrag Der Historiker Volker Weiß diskutiert im Kukoon über Konservatismus und Neue Rechte

Volker Weiß

Foto: Annette Hauschild/Klett-Cotta

44, ist Historiker aus Hamburg und schreibt unter anderem für die Zeit und Jungle World.

taz: Die AfD scheint sich zu spalten, bei der letzten Pegida-Demo waren gerade einmal 1.700 Teilnehmer. Kann Entwarnung gegeben werden?

Volker Weiß: Nein, innerhalb der Partei feiert man Köln als Einigungsparteitag, da man Petrys Frontbildung nicht gefolgt ist. Die AfD hat sich für die Fortsetzung des Radikalisierungskurses entschieden, das ist kein Grund zur Entwarnung. Die Assimilation von Pegida durch die AfD war abzusehen. Solche Bewegungen können ihre Dynamik selten lange erhalten.

Was lässt den Rechtspopulismus gerade jetzt so populär werden?

So neu ist das Phänomen ja nicht, wenn wir an Jörg Haider und Thilo Sarrazin denken. Der Erfolg hierzulande hängt damit zusammen, dass es mit der AfD nun eine Sammlungsbewegung gibt, die es versteht, der bürgerlichen Krisenangst eine konkrete Form zu geben.

Lässt sich eine Trennlinie zwischen rechtspopulistischen und rechtskonservativen Positionen definieren?

Zunehmend weniger. Der Rechtspopulismus bedient traditionell die Ressentiments gegen die Eliten stärker, während der Rechtskonservatismus deren Existenz noch als lebensnotwendig für die Nation verteidigt hat. Aber die Grenzen verschwinden.

Sie beschreiben in Ihrem Buch die Kontakte zwischen Aktivisten wie Götz Kubitschek und europäischen Rechts­ex­tre­men, aber auch die Verwurzelung des Denken der Neuen Rechten in faschistischen Traditionen. Wenn diese Kontinuitäten bekannter wären – wäre das ein Anlass für viele Sympathisanten, sich vom Rechtspopulismus abzuwenden? Oder ist der faschistische Hintergrund der Bewegung für die meisten eh unproblematisch?

Ich halte es für unverzichtbar, die politischen Traditionen der Neuen Rechten klar zu benennen. Und diese führen nun mal in den europäischen Faschismus, wie übrigens auch die Schwärmereien des Kubitschek-Kreises für Casa Pound in Italien. Oder denken Sie an die Verehrung, die man der US-Alt-Right entgegenbringt, deren Protagonisten mit „Sieg Heil“-Rufen auf sich aufmerksam gemacht haben. Das gilt übrigens auch für die Identitäre Bewegung, die eng mit diesen Leuten verbandelt ist. Der Selbstdarstellung, dass die Neue Rechte eine konservative Strömung sei, muss immer weiter widersprochen werden. Ich denke schon, dass das Klarheit schaffen kann. Sie pflegen diese Legende ja nicht umsonst selbst.

Welche Strategie empfehlen Sie? Lohnt es sich, mit Rechtspopulisten zu diskutieren?

Um die diskursive Auseinandersetzung mit der AfD wird man nicht herumkommen. Allerdings sollte man bei der Neuen Rechten speziell wissen, mit wem man es zu tun hat. Sonst sitzt man ihrer Selbstdarstellung als Konservative auf.Interview Benjamin Moldenhauer

19 Uhr, Kukoon, Buntentorsteinweg 21