Flamanville statt Fessenheim

Energiewende II Das grenzwertige französische AKW wird endlich vom Netz genommen. Im Gegenzug entsteht ein neues an anderer Stelle – der französische Energiekonzern EDF trotzt der Regierung einen unguten Handel ab

„Gesagt, getan“

„Reine Augen­wischerei“

Ségolène RoyalCécile Duflot

PARIS taz | Jetzt ist es offi­ziell: Das AKW Fessenheim wird stillgelegt. „Gesagt, getan“, kommentierte Umwelt- und Energieministerin Ségolène Royal die Veröffentlichung des Dekrets, das die seit Jahren angekündigte Schließung anordnet und in Hinblick darauf die Betriebsgenehmigung entzieht.

Für sie ist das eine Erfolgsmeldung. In Wirklichkeit wird die umstrittene Anlage frühestens 2019 stillgelegt, und auch das nicht etwa ersatzlos in der Logik einer zielstrebigen Politik des Energiewandels und des Ausstiegs aus der Atomenergie. Die offizielle Verlautbarung stellt im Gegenteil eine Kapitulation vor den Prioritäten der Atomindustrie und deren Strategie dar: Wie der Betreiber von Fessenheim, der französische Energiekonzern Electricité de France (EDF), durchsetzen konnte, wird nämlich das älteste noch funktio­nierende AKW die Produktion erst einstellen, wenn als Ersatz die neueste Anlage in Flamanville in der Normandie in Betrieb geht. Zudem lässt sich EDF mit fast 500 Millionen Euro aus der Staatskasse entschädigen.

Es war eines der großen Wahlversprechen von François Hollande: Noch während seiner Amtszeit werde das älteste französische AKW geschlossen, das im Elsass unweit der deutschen und der schweizerischen Grenze steht. Diese Anlage hat mit vierzig Jahren die Altersgrenze erreicht, zudem hatte sie mehrfach wegen Pannen von sich reden gemacht, und nicht zuletzt befindet sie sich in einer erd­bebengefährdeten Zone.

Die Stilllegung, die aus genannten Gründen auch vom benachbarten Ausland dringend gewünscht war, sollte nach Hollandes Vorstellungen den Anfang eines schrittweisen Ausstiegs aus der Atomkraft und einer Verminderung ihres Anteils an der Stromproduktion von heute 75 auf 50 Prozent im Jahr 2025 darstellen. Längst war klar, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann. EDF hat viel Geld investiert, um die beiden Reaktoren den Anforderungen der Aufsichtsbehörde anzupassen, und hat alles getan, um die beabsichtigte Schließung hinauszu­zögern.

Noch in dieser Woche hatte der EDF-Verwaltungsrat zwar der Stilllegung zugestimmt, diese aber mit der Bedingung verknüpft, dass zuvor der in Flamanville noch im Bau befindliche EPR (European Pressurized Reactor) seine Tätigkeit aufnehmen könne. Das war auch der Hintergedanke der Regierung gewesen. Nur haben sich die Bauarbeiten in Flamanville wegen ernsthafter Probleme mit der Qualität wichtiger Komponenten verzögert. 2019 gilt daher als frühester Termin einer Inbetriebnahme.

Und so kann Royal behaupten, die Schließung von Fessenheim sei noch während der Amtszeit von Hollande beschlossen worden. Nichts kann indes eine zukünftige Regierung hindern, ein gegenteiliges Dekret zu veröffentlichen oder die Stilllegung zu verzögern. Die Atomgegner haben mit Enttäuschung reagiert. Die Exchefin der Grünen, Cécile Duflot, sprach von „reiner Augenwischerei“.

Rudolf Balmer