Europaküche Gibraltar ist ein Brexit-Problemfall. Und eine kulinarische Inspiration
: Britisch fühlen, spanisch verdauen

Von Philipp Mausshardt
(Text) und Juliane Pieper (Illustration)

Das Störende an meinem Restaurant sind die Gäste.“ Das sagte mir mal der Stuttgarter Gourmetkoch Vincent Klink, der auch herausgefunden hat, dass Gast und Koch im Grunde ihres Wesens natürliche Feinde sind. Man braucht einander, hat aber starke Vorbehalte gegen­ein­ander.

So ähnlich verhält es sich auch zwischen Wählern und Politikern. Das Störende an einer Demokratie sind ja die Wahlen. Die Stimme eines Volltrottels zählt dabei genauso viel wie die eines Schlaumeiers – das ist bitter, aber leider demokratisch. Beispielsweise halten viele in der EU die Entscheidung der Briten, aus der EU auszutreten, für ziemlich dumm. Die Briten sollen den Brexit deshalb auch hart zu spüren bekommen.

Zu den ersten Streitpunkten zwischen EU und Briten zählt ein Affenfelsen am Mittelmeer. Aus irgendwelchen historisch nicht mehr nachvollziehbaren Gründen besitzen die Engländer seit 1704 knapp 6,5 Quadratkilometer Land an der Südküste Spaniens und geben es nicht mehr her. In den letzten Wochen ist ein Streit zwischen Spanien und Großbritannien entbrannt, weil Spanien auf Kosouveränität pocht und in Sachen Gibraltar ein Vetorecht bei den Brexit-Verhandlungen erhält.

Zutaten (für 4 Personen)

500 g Lammgehacktes

200 g Chorizo

100 g Schmand oder Crème fraîche

150 g Auflaufkäse

150 ml Brühe (idealerweise Lammbrühe, es geht aber jede)

6 große Kartoffeln (mehlig kochend)

200 g schwarze Oliven (entkernt und gehackt)

1 Zwiebel

1 Knoblauchzehe (gehackt)

1 Karotte (fein gehackt)

Muskat

Pimentón (gibt es in gut sortierten Gewürzläden, aber auch bei Edeka)

Zubereitung: Kartoffeln weich kochen und mit dem Schmand zu Püree verarbeiten. Mit Muskat und Salz abschmecken. Das Hackfleisch zusammen mit dem Knoblauch, der Möhre und der Zwiebel anbraten, salzen und mit Pimentón würzen. Die Oliven zugeben, mit etwas Brühe auffüllen und für etwa zehn Minuten einkochen lassen. Davon die letzten fünf Minuten die in Stücke geschnittene Chorizo mitkochen. Eine feuerfeste Form mit Butter ausstreichen, das Fleisch einfüllen und mit dem Kartoffelbrei bedecken. Alles mit Käse bestreuen und circa 20 Minuten bei 180 Grad im Ofen backen.

In Gibraltar wohnen rund 30.000 Menschen, die britisch fühlen, aber spanisch verdauen. 99 Prozent haben sich bei der letzten Volksabstimmung im November 2002 für einen Verbleib im „British Empire“ ausgesprochen, obwohl 95 Prozent von ihnen (subjektiver Schätzwert) abends lieber spanisch als englisch essen. Das Lieblingsgericht der Gibraltarer ist die Calentita, eine Art Brotauflauf aus Kichererbsenmehl, zu dem meist mediterranes Gemüse gereicht wird.

Eigentlich ergibt die Verwaltung von Gibraltar durch britische Beamte keinen Sinn. Linksverkehr auf sechseinhalb Quadratkilometern Kontinentaleuropa dient auch nicht der Sicherheit. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung sympathisch, dass jedem Land in einem anderen Land ein Zipfelchen Erde gehört, auf dem andere Gesetze gelten.

Angenommen, Deutschland besäße eine Insel in Griechenland – die ganze Diskussion über die angeblich faulen Säcke vom Peloponnes wäre hierzulande viel sachlicher verlaufen. Oder den Schweizern gehörte ein Berg in Albanien: Struktur und Chaos wären auf einmal gute Freunde.

Wegen Gibraltar werden sich Spanier und Briten heute nicht mehr beschießen. Aber an einem Konferenztisch irgendwo im Niemandsland wird „hart gerungen“ werden, hört man aus Brüssel. Weil so eine Konferenz hungrig macht, schlagen wir folgendes Gericht vor: einen Shepherd’s Pie mit Chorizo.

Das besondere Etwas

Mit Gewürzen können die bri­tischen Haus­frauen und ­-männer nicht wirklich gut umgehen. Hier helfen Zutaten aus Gibraltar: Chorizo, Oliven und Pimentón

Shepherd’s Pie – der Schäferkuchen – stammt zwar ursprünglich aus Irland, ist heute aber überall auf den Britischen Inseln ein sehr beliebtes Gericht. Da mit Hack aus Lammfleisch gemacht, eignet es sich bestens zur Nachahmung auf der Iberischen Halbinsel. Allerdings schmeckt ein typisch britischer Shepherd’s Pie doch recht langweilig. Denn trotz ihrer kolonialen Vergangenheit können die britischen Hausfrauen und -männer mit Gewürzen nicht wirklich gut umgehen. Es fehlt ihnen dafür irgendwie der Sinn.

Mit wenigen Zutaten aus Gibraltar wird aus einem faden Shepherd’s Pie aber eine kleine kulinarische Sensation. Dafür genügen etwas Chorizo, Oliven und Pimentón, ein Gewürz aus roten Paprikaschoten, die langsam über Eichenholz geräuchert und dann gemahlen wurden. Es gibt davon eine milde und eine scharfe Variante. Nach einem harten Verhandlungsverlauf sollte die scharfe gewählt werden.

Philipp Maußhardt vereinigt auf dieser Seite jeden Monat die Küchen Europas. Und in der nächsten Woche? Da erforscht Uli Hannemann im Selbstversuch die Superpower der „Superfoods“ – von Acai bis Hanf.