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Lebenslänglich Fiderallala

Kindermusik Die Vogelhochzeit von Rolf Zuckowski wird in diesen Tagen 40 Jahre alt. Aber nicht nur sein wichtigstes Werk, sondern auch der Musiker selbst hat Grund zum Feiern. Denn am12. Mai wird der Hamburger Liedermacher 70. Jahre alt

von Birk Grüling

Nach 40 Jahre Vogel-Ehe ist die Liebe an den meisten Tagen dann doch der Routine gewichen. Die Küken sind in der Jubiläumsausgabe des Klassikers längst aus dem Nest. Und trotzdem feiert das gefiederte Paar seinen Hochzeitstag mit Verwandten und Freunden. Ein Alleinunterhalter fordert mit lautem Fiderallallalla zum nächsten Tanz auf und startet die bekannte Melodie auf seinem Keyboard. An den Tischen sprechen Amsel, Fink und Star über müde Flügel und die guten alten Zeiten. Liebevoll streicht die Vogelfrau ihrem Mann über das Gefieder. „Kaum zu glauben, dass es schon 40 Jahre her ist oder?“ Er nickt gedankenverloren. Natürlich, leider oder vielleicht auch zum Glück ist die Neuausgabe zum 40. Geburtstag von Rolf Zuckowskis Vogelhochzeit deutlich bunter als die graugefiederte Realität.

Der ewige Kreis aus „Verliebt, Verheiratet, Nestbau und Familie“ ist inzwischen nicht nur kinderzimmer-, sondern auch popmusiktauglich – jedenfalls scheint das die Plattenfirma geplant zu haben. Die Vogelmama singt nun Oonagh, ein ehemaliges Casting-Sternchen, das inzwischen die greisen Zuschauer des Schlagerstadls mit elbischem Gesang verwirrt. Popstar Sasha gibt den Vogelpapa. Die bekannte Geschichte erzählt und spricht Zuckowski höchst persönlich. Natürlich tut diese Besetzung der kindlichen Begeisterung für die bekannten Lieder keinen Abbruch. Kein Wunder: „Rolfs Vogelhochzeit“ ist immerhin seit den 70er-Jahren ein fester Bestandteil der Kinderzimmer-Beschallung und wird wohl täglich herzerweichend schief bei Grundschulaufführungen, in Singkreisen und einfach nur so vor sich hin geschmettert. Das mag anfangs noch ganz süß sein. Aber spätestens nach der 40. Wiederholung stehen selbst hartgesottene Eltern kurz vor dem Nervenzusammenbruch – ausgelöst durch „Reim' dich oder ich fress‘ dich“-Poesie und durch die ewig gleiche Gitarren-Freundlichkeit.

Natürlich tut man Zuckowski aber großes Unrecht, ihn nur auf die singende Heile-Welt-Nervensäge zu reduzieren. Der sympathische Hamburger Liedermacher, der am 12. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, hat ohne Frage ganze Generationen von Kindern musikalisch geprägt. Seine Wurzeln liegen im Pop und Folk. Er war Gitarrist und Sänger diverser Schulbands. Trotz musikalischen Talents lernt er erst einmal einen „ordentlichen Beruf“ und studiert Betriebswirtschaft. Nach dem BWL-Studium arbeitet er in einem Musikverlag, schreibt Songs für viele Künstler und nimmt als Produzent und Texter der Band Peter, Sue & Marc sogar am Grand Prix teil. Das sind Wurzeln, die ihn nie ganz loslassen: Immer wieder veröffentlicht der Hamburger Alben für erwachsene Hörer, die allerdings (nicht ganz zu Unrecht) weitgehend ignoriert werden: „leiseStärke“ – der letzte Versuch in dieser Richtung – hielt sich 2012 nur eine Woche auf Platz 80 der Albumcharts.

Der Durchbruch gelingt ihm erst mit den Kinderliedern und der Vogelhochzeit. Inspiration dafür bietet das eigene Familienleben: Mit 24 Jahren wird er 1971 erstmals Vater. Geburtstage, Ausflüge auf den Spielplatz oder Geschichten aus dem selbstgegründeten Kindergarten – zu all dem fallen Zuckowski spätere Hits ein, Lieder wie „Wie schön, dass du geboren bist“ oder „In der Weihnachtsbäckerei“. Heute gibt es wohl kaum einen Anlass im Leben eines Kindes, den er nicht besungen hätte. Anfangs tritt er nur in Kindergärten, Schulen und vor Freunden auf, doch 1977 soll sich das schlagartig ändern. Mit der Vogelhochzeit vertont er bereits 1974 – seine Frau ist gerade mit dem zweiten Kind schwanger – einen Bilderzyklus seines Schulfreundes Peter Meetz. Nach drei Jahren ringt sich die Plattenfirma endlich durch, die Lieder zu veröffentlich. Was folgt, ist uns Eltern leidlich bekannt.

Die Vogelhochzeit wird in viele Sprachen übersetzt und in unzähligen Varianten vertont. Ab sofort wird alles zu Gold, was Zuckowski besingt. Hunderte von Kindertiteln werden millionenfach verkauft. Gute Laune und immer gleiche Gitarren-Riffs auf Dauerschleife machen ihn reich und bekannt. Ein paar Highlights im Schnelldurchlauf: Echo Pop fürs Lebenswerk, ein 3.776-zeiliges Musikstück namens „…und ganz doll mich“ im Guinnessbuch der Rekorde, unzählige goldene Schallplatten. Zuckowski erfindet gemeinsam mit Peter Maffay den grünen Drachen Tabaluga und bringt die eigenen Kinder ins Musikbusiness. Sohn Alexander schreibt heute Charterfolge wie „80 Millionen“ von Max Giesinger oder „Durch schwere Zeiten“ von Udo Lindenberg. Am Grand-Prix-Erfolg von Conchita Wurst ist er ebenfalls beteiligt – ganz der Papa.

In den letzten Jahren ist es allerdings ruhiger um den Hamburger Liedermacher geworden. Statt neue Lieder zu schreiben oder als Tournee-Opa durch die Kindergärten und Musikschulen zu tingeln, kümmert er sich vor allem um seine Enkel und junge Musiker. Mit seinem eigenen Label fördert Zuckowski die musikalisch-wertvolle Kinder-HipHop-Combo „Deine Freunde“ und das großartige Musikhörspiel „Eule findet den Beat“. Außerdem engagiert er sich für unheilbar kranke Kinder.

In diesem Jahr gibt es ein Comeback. Seinen runden Geburtstag und das Vogelhochzeit-Jubiläum feiert er mit der musikalischen Neuauflage und einer Tournee mit 40 Konzerten in der ganzen Republik samt eines großen Abschlusses in der Hamburger Elbphilharmonie am 3. Dezember. 2018 soll es dann zwar wieder ruhiger um Zuckowski werden. Ein weiteres Geburtstags-Comeback und noch mehr Songs für die Kinderzimmer-Endlosschleife sind allerdings nicht ausgeschlossen. In einem Interview mit dem DuMont Verlag sagte er gerade: Musik sei sein Lebenselexier, von dem er dann doch nie sehr lange lassen könne.

Programmhinweis: Am Ostermontag strahlt das ZDF um 09.40 Uhr außerdem „Rolfs neue Vogelhochzeit“ aus – einen sehenswerten Trickfilm zu der bekannten Vogel-Liebe in Stop-Motion-Technik

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