Rote Schwaden gegen die Maduro-Gegner

VenezuelaMit Tränengas und Gummigeschoss hat die Regierung einen Oppositionsmarsch gestoppt

Mit einem Schutzschild gegen die Polizei: Tausende demonstrierten am Samstag in Venezuelas Hauptstadt Caracas Foto: Ariana Cubillos/ap

BUENOS AIRES taz | Unter einem massiven Aufgebot von Nationalgarde und Nationalpolizei hat Venezuelas Regierung am Samstag einen Marsch der Opposition ins Zentrum der Hauptstadt Caracas verhindert. Tausende Menschen hatten sich versammelt, um nach einer Aufforderung von Oppositionsführer Henrique Capriles zum Defensor del Pueblo zu marschieren, dem staatlichen Ombudsmann.

Dem sollte eine Petition übergeben werden. Die Opposition fordert die volle Anerkennung der Nationalversammlung und der Verfassung, die Zulassung humanitärer Hilfe aus dem Ausland, die Freilassung politischer Gefangener sowie die seit Dezember 2016 verschobenen Gouverneurs- und Kommunalwahlen.

Für zusätzlichen Zündstoff sorgte die Nachricht von Freitag, dass Capriles von der Finanzkontrollbehörde die Wählbarkeit für alle öffentlichen Ämter für 15 Jahre entzogen wurde. Die Behörde begründete ihre Entscheidung mit „verwaltungstechnischen Unregelmäßigkeiten“ während seiner noch laufenden Amtszeit als Gouverneur des Bundesstaates Miranda.

„Nicolás Maduro, sieh dich vor!“, warnte Capriles den Präsidenten, „es geht nicht darum, dass ich für die Kandidatur um öffentliche Ämter gesperrt wurde. Hier sterben Menschen vor Hunger, sie sterben in den Krankenhäusern.“

Durch den Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen wurden die Protestierenden gestoppt. Bei zum Teil heftigen Straßenschlachten wurden nach Angaben von Chacaos Bürgermeister Ramón Muchacho 17 Personen verletzt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Regierung auf, die Bestandteile eines am Samstag erstmals eingesetzten Tränengases bekannt zu geben, das sich in roten Schwaden ausbreitete.

Der Marsch war der dritte in nur einer Woche. Auslöser der Proteste war die Entmachtung des Parlaments durch den Obersten Gerichtshof. Vor allem auf internationalen Druck hin wurde die Entscheidung jedoch revidiert. Die Opposition nutzte die Empörung im Inland und Ausland, um die Proteste wiederzubeleben. Möglich ist, dass dies der Auftakt zu einer Protestwelle wie 2014 ist, bei der 43 Menschen ums Leben kamen. Erst am Donnerstag war ein Demonstrant getötet worden.

Capriles will gegen die Ab­erkennung seiner Wählbarkeit Beschwerde einlegen. Dass die Behörde ihre Entscheidung ohne Anweisung der Regierung revidiert, ist aber nicht zu erwarten. Die Regierung hat einen Weg gefunden, nach der Inhaftierung von Leopoldo López auch den zweiten prominenten Oppositionspolitiker von Wahlen auszuschließen. Capriles war als Präsidentschaftskandidat 2012 gegen Hugo Chávez und 2013 gegen Maduro angetreten, unterlag jedoch beide Male.

Jürgen Vogt