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Eishockey in WolfsburgMeister der Maloche

Die Grizzlys Wolfsburg mussten den Etat vor der Saison drastisch senken. Trotzdem stehen sie wieder im Finale um die Meisterschaft.

Großer Kampfgeist: Wolfsburgs Lubor Dibelka (l) setzt sich durch Foto: dpa

Wolfsburg taz | Felix Brückmann wurde so leidenschaftlich von seinem Teamkollegen umarmt, dass man sich um das Wohl des Torhüters sorgen musste. „Diese Mannschaft kämpft bis zum Umfallen. In ihr steckt Charakter“, sagte hernach der Keeper der Grizzlys Wolfsburg. Während Brückmann vor der Umkleidekabine bereits Interviews gab, wurde draußen auf dem Eis der Rest des Teams immer noch gefeiert.

Sie stehen wieder in der Finalserie der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Und sie sind weiterhin dieser aufmüpfige Verein, der mit einem kleinen Budget Großes vollbringt. „Die Rolle des Underdogs liegt uns“, findet Goalie Brückmann. Er steht ab Sonntag wieder unter Beschuss, wenn es im Duell mit dem amtierenden Meister EHC München um den diesjährigen Titelgewinn geht.

Was auch immer am Dienstagabend um ihn herum passiert war: Im Duell mit den Nürnberg Ice Tigers hatte Brückmann immer eine passende Antwort parat. Wolfsburg gewann das vierte von maximal sieben Halbfinalspielen souverän mit 3:0 – dank der Treffer von Sebastian Furchner, Brent Aubin und Gerrit Fauser, dank einer starken Torhüterleistung und dank eines großen Kampfgeistes. Im Team der Grizzlys gibt es mit Brückmann sowie den Stürmern Fauser und Aubin zwar Ausnahmekönner.

Aber das Geheimnis dieser Mannschaft, die sich den Titel „Meister der Maloche“ seit Jahren redlich verdient, liegt nicht in der individuellen Klasse einzelner Profis. „Die Herausforderung für uns besteht immer darin, im Kollektiv besser als die anderen Vereine mit höherem Budget zu sein“, erklärt Manager Karl-Heinz Fliegauf. Er bildet mit Cheftrainer Pavel Gross seit einem Jahrzehnt ein eingespieltes Duo. Und seit zehn Jahren ist Wolfsburg Stammgast in den Playoffs. Bei der dritten Finalteilnahme soll es gegen München zu einer Überraschung reichen. „Vergoldet unsere 10. DEL-Saison mit dem Titel!“, stand auf einem Plakat, das die Wolfsburger Fans am Dienstag vorsorglich vorbereitet hatten.

Rückzug der Sponsoren

Die Erfolgsgeschichte der Grizzlys bleibt vor allem deshalb besonders, weil der Verein um ein Haar aus Deutschlands höchster Spielklasse gestürzt wäre. Im Zuge der weltweit schwelenden Diesel-Affäre gibt es beim Volkswagen-Konzern zahlreiche Umstrukturierungen seines Sportsponsorings. 2016 hatte sich der langjährige Grizzlys-Geldgeber, die VW-Tochter Škoda zurückgezogen und war erst kurz vor dem finanziellen Vereinskollaps durch den Mutterkonzern selbst beerbt worden. Dass in diesem Zusammenhang der Saisonetat für das Team um Torhüter Brückmann um rund eine Million auf nur noch 4,5 Millionen Euro gesunken ist, macht die sportlichen Erfolge der Grizzlys umso bemerkenswerter.

Sie sind die Minimalisten der Liga und gehören durchgehend zur Elite. „Wir sind eine Arbeitermannschaft“, findet Manager Fliegauf. Er schafft es immer wieder, die passenden Spielertypen nach Wolfsburg zu lotsen. Die Grizzlys spielen ein sehr einsatzfreudiges und wuseliges Eishockey. Sie attackieren und nerven ihre Gegner so lange, bis denen die Lust vergeht und ihre Moral gebrochen ist.

Die Grizzlys attackieren und nerven die Gegner, bis denen die Lust vergeht

Der Jubel über die nächste Finalteilnahme ist kurz und ausgelassen ausgefallen. Denn auf die Grizzlys wartet eine komplizierte Aufgabe. Im letztjährigen Finale hatten sie gegen die übermächtigen Münchner keine Partie gewinnen können. „Wir müssen vernünftig bleiben. Eigentlich haben wir noch gar nichts erreicht“, sagt Cheftrainer Gross. Der Mann ist vernarrt ins Eishockey.

Er gilt als sehr kluger Taktiker und Motivator. Große Sprüche sind von dem gebürtigen Tschechen nicht zu erwarten. Als er am späten Dienstagabend erklären sollte, was die dritte Finalteilnahme der Grizzlys für ihn bedeutet, antwortete er trocken: „Gar nix.“ Sein Lob für das eigene Team fiel spärlich aus: „Es war eine solide Leistung.“

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