piwik no script img

Hoffen und zweifeln

Kino Zwei große Filme zur Zeit starten heute: „Die andere Seite der Hoffnung“ von Aki Kaurismäki und „I Am Not Your Negro“ von Raoul Peck

Heute starten hierzulande gleich zwei Filme im Kino, die schon während der Berlinale einen prominenten Auftritt hatten: Aki Kaurismäkis Wettbewerbsbeitrag „Die andere Seite der Hoffnung“ und Raoul Pecks Essayfilm „I Am Not Your Negro“ (siehe taz vom 15. 2. 2017). Beide gehen auf sehr unterschiedliche Weise aktuellen Fragen nach, die in Gesellschaften rund um die Welt auf Antwort drängen.

„Die andere Seite der Hoffnung“ erzählt vom syrischen Flüchtling Khaled (Sherwan Haji), der mit einem Containerschiff nach Finnland gelangt und dort unerwartet Arbeit und Unterstützung findet. Kaurismäki gelingt es dabei fast spielerisch, seine optimistische Botschaft – Solidarität europäischer Gesellschaft mit Geflüchteten ist möglich – mit der Realität abzugleichen, an der sich dieser Optimismus immer wieder reibt: Einerseits tut er das mit seinem typisch lakonischen Humor, in dem eine Handgreiflichkeit nicht immer den Anfang einer Feindschaft bedeuten muss, andererseits verschweigt er nicht die brutale Ablehnung von „Fremden“ durch selbsternannte Verteidiger des Finnentums in Gestalt von Neonazis.

Kaurismäki hatte während der Berlinale angekündigt, dies sei sein letzter Film. Was zu bedauern wäre, auch wenn ihm damit ein mehr als würdiger Abgang geglückt sein sollte. Doch es besteht ja noch Hoffnung.

Hoffnung auf eine Lösung der Widersprüche der US-amerikanischen Gesellschaft hingegen sieht der haitianische Regisseur Raoul Peck in „I Am Not Your Negro“ nur bedingt. Während Kaurismäki die Überwindung ethnischer Konflikte für möglich hält, führt Peck am Beispiel des afroamerikanischen Schriftstellers und Intellektuellen James Baldwin vor, wie unauflöslich die ethnischen Verstrickungen der Gesellschaft in den USA bis heute erscheinen. So verweist Peck in seinem großen Porträt Baldwins, der in zahllosen Talkshow-Auftritten unerschrocken seinen skeptischen Standpunkt vortrug, immer wieder auf die derzeitige Situation in den USA, mit Polizeigewalt gegen Afroamerikaner von Rodney King bis Ferguson. Zweifel? Sind angebracht. Tim Caspar Boehme

„Die andere Seite der Hoffnung“. Regie: Aki Kaurismäki. Mit Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen u. a. Finnland 2017, 98 Min.

„I Am Not Your Negro“. Regie: Raoul Peck. USA u. a. 2016, 93 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen