piwik no script img

Billig parken ist kein Grundrecht

Kommentar

von Stefan Alberti

Grüner Staatssekretär will das Parken teurer machen

Ein Blick ins Gesetz soll ja die Rechtsfindung erleichtern. Also schauen wir angesichts der großen Empörung über jüngste Ideen des grünen Verkehrsstaatssekretärs Kirchner doch mal ins wichtigste aller deutschen Gesetze, ins Grundgesetz. Da sind in Artikel 1 bis 19 die Grundrechte aufgelistet: Schutz der Menschenwürde etwa oder körperliche Unversehrtheit (etwa vor Rasern, was da leider nicht explizit steht). Ein Recht auf Billigparken, was Kirchner beenden will, oder auf Autofahren kommt da nicht vor.

Rot-Rot-Grün betreibe eine Politik, die sich fast ausschließlich gegen die Autofahrer wendet, kritisiert die CDU lautstark. Und die FDP befürchtet deren Verdrängung aus der Innenstadt. Beide Parteien verstehen nicht, dass es hier eben nicht um Entscheidungsfreiheit geht, wie etwa bei der Schulwahl, wo der Staat durchaus an Grundrechte stoßen würde, wenn er Ganztagsschulen verpflichtend machen und Kinder dauerhaft ihren Eltern entzöge. Nein, hier geht es darum, eine erwiesenermaßen umwelt- und gesundheitsbelastende Fortbewegungsart in der City auf ein Minimum – Krankenwagen oder Transporter – zu begrenzen.

Erfahrungen anderswo haben gezeigt: Anreize reichen nicht für ein Umdenken, was zieht, sind allein Verbote und Gebühren. Parkplätze zu verteuern und damit wie Kirchner klarzumachen, dass es keinen Anspruch auf immer mehr öffentliche Fläche für immer größere Wagen gibt, können nur ein erster Schritt sein. Langfristig muss die Innenstadt wieder ein weitgehend autofreier und dafür menschenfreundlicherer Lebensraum sein, in dem nur Fahrten in Car-Sharing-Autos oder per Taxi erlaubt sind.

Heinrich Böll setzte schon in seinem 1957 erschienenen „Irischen Tagebuch“ dem deutschen Mantra „Die Straße gehört dem Auto“ seine dortige Erfahrung entgegen, wonach die Straße den dort massiv vorkommenden Schafen gehörte. Um noch mal das Grundgesetz zu zitieren: Auch mit „freier Entfaltung der Persönlichkeit“, Artikel 2, ist nicht das Recht gemeint, die Brötchen mit dem SUV zu holen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen