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Für viele Leute ist ein innerstädtischer Flughafen eine praktische Sache, Für die Anwohner ist er eine QualFür 100 Euro nach Mailand

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

Katrin Seddig

Auch im Norden sieht es jetzt nach Frühling aus. Vor dem Nachbarhaus blüht die japanische Kirsche und Teenager taumeln in T-Shirt und Sonnenbrille, ein offenes Bier in der Hand, durch die Straßen. Im Grunde hat damit der Sommer angefangen, der Nordsommer.

Ich war vor zwei Wochen in Mailand, da waren zwanzig Grad, und die Mailänder trugen Mantel und Mütze. Die Mailänder, scheint’s, frieren mehr als die Hamburger. Sie tragen allerdings auch schickere Mäntel und Mützen. Man vergleicht, wenn man durch eine fremde Stadt läuft. Mir kam insgesamt die Stadt eleganter vor als Hamburg. Obwohl ich Hamburg auch sehr elegant finde. Es gibt in Mailand mehr exklusive Design- und Modegeschäfte, weniger Geschäfte von Modeketten, wie es sie in jeder Fußgängerpassage in jeder mitteldeutschen Kleinstadt gibt.

Und wenn ich vergleiche – der Flughafen Malpensa liegt weit außerhalb der Stadt, in der Provinz Varese, und dann gibt es noch einen in Bergamo. Hamburg steht mit seinem innerstädtischen Flughafen ganz gut da. Es lässt sich gut an- oder abreisen.

Der Flughafen Fuhlsbüttel hat zum Frühlingsbeginn seinen Sommerflugplan bekannt gegeben. Für die Anwohner bedeutet der nichts Gutes. Für die Anwohner und für die Bewohner auch noch ganz anderer Wohngebiete, zum Beispiel im Hamburger Norden oder auch im Osten, ist der innerstädtische Flughafen insbesondere im Sommer eine Qual.

Das könne er nicht verstehen, wie man sich am Fluglärm störe, sagte mir mal einer. Er finde das ganz schön, wenn da oben ein Flugzeug summe, das versetze ihn in eine romantische Stimmung. Ich weiß, dass viele Leute so denken, und zwar alle die, die nicht in einem Haus wohnen, über dem die Flugzeuge in den Landeanflug gehen. Ich wohne in Eilbek in einer Dachwohnung, und immer wieder im Sommer, teilweise im Zweiminutentakt, kann ich mein eigenes Wort nicht mehr verstehen.

Eigentlich soll der Flughafen nicht über die innenstadtnahen Stadtteile angeflogen werden. Eigentlich. Eigentlich soll es auch zwischen 23 Uhr und 6 Uhr keinen Flugverkehr mehr geben. Eigentlich. Der Bund fordert jetzt sogar, dass auch der Flughafen Fuhlsbüttel sich an die Nachtruhe ab 22 Uhr hält. Aber in Fuhlsbüttel kann man nicht einmal eine Nachtruhe ab 23 Uhr garantieren.

Im Januar dieses Jahres, zum Beispiel, landeten 51 Flugzeuge nach 23 Uhr. Was hat Nachtruhe für einen Wert? Wie sollen die Menschen schlafen? Wie sollen sie gesund bleiben und jeden Morgen zur Arbeit gehen, wenn sie nachts nicht schlafen können, wenn ihre Kinder nicht schlafen können, weil es einfach so irrsinnig laut ist?

Ich weiß, wie das ist, wenn wieder einmal der Flugverkehr über mein Haus geht. Es ist zum Verrücktwerden. Aber ich merke nichts davon, wenn der Flughafen vom Norden angeflogen wird. Nur, dann trifft es andere. Irgendwo ist es immer laut und deshalb muss weniger statt mehr geflogen werden.

Es ist ja nicht nur laut, es ist auch schmutzig. 2016 war das verkehrsreichste Flugjahr in Hamburg seit dem Jahre 2000. Ich fürchte, und der neue Sommerflugplan lässt darauf schließen, dass im Jahr 2017 nicht weniger, sondern mehr geflogen wird.

Der Flughafen präsentiert stolz 17 neue Destinationen. Es wird noch mehr Billigflüge geben, die Nahziele abdecken. Und das wächst und wächst ohne Rücksicht auf Menschen, die davon verrückt werden. Das ist ganz aggressiver Kapitalismus. Und wenn sich jeder nur für sich interessiert, also nur der für Fluglärm, der davon betroffen ist, dann machen wir uns alle gegenseitig krank, dann trampelt einer auf dem anderen rum, so wie er kann.

Wir sollten nicht fliegen. Schon gar nicht für hundert Euro nach Mailand und zurück. Wir sollten es einfach nicht tun. Ich sollte so etwas nicht tun.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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