Schöner Müll Der gelbe Sack quillt über? Besser: aus Kunststoff bunte Taschen machen: Plastikmüll, geh bügeln!
Text und Fotos Christina Spitzmüller
Möchten Sie noch eine Plastiktüte für 10 Cent dazu oder geht’s so?“, werde ich beim Einkaufen immer öfter gefragt. Kein Wunder – schließlich soll der Verbrauch von Plastik deutlich sinken, 2018 müssen mindestens 80 Prozent der Tüten im Handel Geld kosten, sonst wird der kostenpflichtige Plastikbeutel per Gesetz eingeführt.
Plastik vermeiden finde ich gut. Und meistens passen die Einkäufe tatsächlich in den Rucksack, den Jutebeutel, den Bananenkarton aus dem Supermarkt. Nur manchmal, wenn eine Tüte besonders schön ist oder ich wirklich nichts dabeihabe, nehme ich sie mit.
Dennoch ist der Gelbe Sack immer wieder gut gefüllt: Da ist der tiefgekühlte Brokkoli in einer stabilen Plastikhülle. Das leckere Buttertoast, verpackt in einer dünnen Folie. Und das neue Regal zum Selbstaufbauen – auch hier sind nicht nur die Kleinteile in schützenden, durchsichtigen Kunststoff eingehüllt. Verpackung ist überall.
Nun habe ich Freunde, die nicht nur Restmüll, Papier und Plastik trennen, sondern gesondert Aluminium sammeln und die Deckel von den Glasflaschen drehen, bevor sie sie zum Altglascontainer bringen. Andere waschen die kleinen Tütchen, in die Obst und Gemüse verpackt werden, daheim aus und verwenden sie weiter. Und selbst bei ihnen wächst der Müllberg.
Doch wird ein Großteil des Plastiks, das in der Gelben Tonne landet, gar nicht recycelt, sondern einfach verbrannt. Dabei ist das Material gut, manchmal sogar schön. Damit muss sich doch was machen lassen, denke ich mir und stöbere im Internet. Tatsächlich: Plastik lässt sich bügeln. Dann werden mehrere relativ instabile Schichten zu stabilem Material, das sich weiterverarbeiten lässt. Zu Schutzhüllen für Laptops und Smartphones, zu Geldbeuteln, zu stabilen Taschen.
In einem Winter mit viel Freizeit habe ich mich rangewagt. Es braucht ein wenig Feingefühl, das Plastik zu bügeln: nicht zu heiß, nicht zu kalt, nicht zu lange, aber doch lange genug. Aber dann entsteht etwas wirklich Schönes. Aus der Verpackung von Toilettenpapier habe ich Taschen genäht, die alles verstecken, was im Bad nicht unbedingt sichtbar sein muss. Eine extravagante Clutch mit Prinzessinnenprint für eine Freundin. Mäppchen für Schreibzeug. Selbst die kleinen 100-Milliliter-Beutel für Flüssigkeiten im Handgepäck auf Flugreisen können so aus durchsichtigen Plastiktüten selbst genäht werden – nahezu unkaputtbar und dadurch immer und immer wieder verwendbar.
Mein ständiger Begleiter auf Reisen und in Zwischenquartieren, in denen ich nie richtig ankommen kann, ist seither ein riesiger Plastikbeutel mit süßem Gesicht, in den eine Menge kleinerer Plastikbeutel passen – zum Beispiel der mit dem Apfel drauf, für Zahnbürste, -pasta und Deopulver. Im durchsichtigen Beutel mit den Warnhinweisen lagern Lade- und Verbindungskabel, externe Festplatten und Elektrokram. Und der E-Book-Reader hat keine langweilige Lederschutzhülle bekommen, sondern einen fancy Beutel mit Asia-Aufdruck.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit die Welt wenigstens ein klein wenig besser gemacht habe. Aber immerhin habe ich schöne Beutelchen, die mir meinen Alltag erhellen.
Die Genussseite: Autorinnen der taz beschreiben einmal im Monat, wie man aus Müll schöne Dinge macht. Außerdem im Wechsel: Wir kochen mit Flüchtlingen, Jörn Kabisch befragt Praktiker der Kulinarik, und Philipp Maußhardt vereinigt die europäischen Küchen
Anleitung
1. Sammeln: Es eignet sich nahezu alles. Nicht mehr ganz stabile Plastiktaschen vom Discounter, Verpackungen von Tiefkühlgemüse, Schokolade oder Nudeln und auch die hauchdünnen Obsttüten aus dem Supermarkt.
2. Waschen: Die oberen und unteren, meist geschweißten, Ränder abschneiden und die Tüten einmal längs auftrennen, sodass eine rechteckige Fläche entsteht. Die Plastikfolien waschen und gut trocknen lassen.
3. Vorbereitung: Für stabiles Taschenmaterial reichen zwei Einkaufstüten oder drei bis vier dünnere Folien. Es gehen aber auch mehr. Um das Motiv zu schützen, empfiehlt es sich, als unterste und oberste Schicht dünne, durchsichtige Plastiktütchen oder eine Lage Frischhaltefolie aufzubügeln. Damit das Plastik nicht festklebt, wird auf das Bügelbrett und unter das Bügeleisen jeweils ein Stück Backpapier gelegt.
4. Bügeln: Wegen der giftigen Dämpfe unbedingt im Freien oder bei geöffnetem Fenster arbeiten. Die Baumwollstufe wählen und vorsichtig anfangen zu bügeln. Zieht sich das Plastik ruckartig zusammen, ist das Bügeleisen zu heiß eingestellt, es entstehen Löcher in der Folie. Umgekehrt darf aber auch nicht zu kalt gebügelt werden, weil es sonst zu Blasenbildung kommt, wo die einzelnen Plastikschichten nicht miteinander verschmolzen sind. Deswegen stetig nachprüfen und nachjustieren, gegebenenfalls die Folien von beiden Seiten bügeln.
5. Nähen: Wenn die Plastiktüten ausgekühlt sind, können sie weiterverarbeitet werden. Für einfache Schutzhüllen, zum Beispiel für Laptops, zwei passende Folienstücke zurechtschneiden, an drei Seiten zusammennähen und einen Reißverschluss einnähen oder Klettverschluss anbringen. Für Kosmetiktäschchen genauso verfahren, aber anschließend von der Innenseite die beiden unteren Ecken abnähen, sodass eine Standfläche entsteht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen