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Namen mit üblem DuftLametta am toten Baum

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Manche heißen „Pisse“. Und haben es trotz (oder wegen?) dieses gleichermaßen infantilen wie punkerhaften Namens geschafft, Aufmerksamkeit jenseits der hiesigen Punkwelt zu erregen. Weil sie zwar rotzig und auch mal ein bisschen fäkal sind, aber eben auch rotzig und ein bisschen klüger. Selbstbefindlichkeit wird klein geschrieben und es kommen so verrückte Sachen vor wie die Gesellschaft.

Andere nennen ein Lied „Pisse“ und segeln seitdem auf einer noch größeren schaumigen Welle des Erfolgs. Denn dieses Lied von Schnipo Schranke (18.3., Uebel & Gefährlich) trifft irgend „einen Nerv“ (taz) – wie auch alle anderen Lieder des Duos. Vieles geht ein bisschen körpersaftmäßig, vulgär und – nur vordergründig – heiter zu. Selbstbefindlichkeit wird groß und zugleich falsch geschrieben. Auch die Töne sind in voller Absicht mal daneben gesetzt. Und ein Penis soll auch in einem Video gezeigt worden sein. Ekligkeit im Sinne von ‚eklig sein‘ und ‚eklig finden‘ ist jedenfalls der Frame und damit wird der (post)feministische Raum zwischen Charlotte Roche, Lena Durham und Alexandra Kleeman musikalisiert. Man darf fragen, warum niemand an die NDW-Band Östro 430 denkt.

Man kann aber auch fragen, warum nun gerade hier die Messlatte der Kritik so hoch gehängt werden soll und die Erwartung zu bestehen scheint, an Aussagekräftiges noch das Schild ‚aussagekräftig’ ranzuhängen. Die meisten (notorisch aus Männern bestehenden) Bands jenseits von Pisse könnten ja bekanntlich bereits einpacken, wenn sie das Wort schreiben sollten.

Fühlt man ihnen inhaltlich auf den Zahn, entpuppt sich ihr bedeutungsschwangeres Getue als Lametta am toten Baum: bestenfalls belanglos. Ein wenig herausnehmen können sich in diesem Zusammenhang Karies (30.3., Hafenklang). Noch so ein üblen Duft verbreitender Name, denkt man. Aber die Kraut-gestählte Stuttgarter Band macht ihre Sache gut. Und verliert auch nicht ganz so viele Worte.

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