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„Erweiterung jetzt!“

Eine „Bäckchen-Lösung“ für die Kunsthalle liegt auf dem Tisch. Jetzt muss sie nur noch politisch gewollt – und finanziert werden

Bremen taz ■ Das Tauziehen um die Erweiterung der Kunsthalle geht in die entscheidende Phase. Im Zuge der Kulturhauptstadt-Bewerbung war ein Volumen von rund 20 Millionen Euro für den Baueinkalkuliert worden. Hintergrund ist der dringende Bedarf des Kunstvereins, die technischen Kapazitäten des Hauses aktuellen Standards anzunähern. Die Erweiterung der Ausstellungsfläche spielt erst in zweiter Linie eine Rolle.

Die Diskussion um Sinn und Verhältnismäßigkeit des Anbaus kann nun aufgrund eines konkreten Entwurfs geführt werden: Gestern stellte die Jury den Sieger aus 351 Beiträgen eines europaweit ausgeschriebenen Wettbewerbs vor. Er stammt vom Berliner Büro Hufnagel, Pütz und Rafaelian und gliedert den Anbau in einer unerwarteten Variante: Statt eines Extra-Gebäudes ist das gewünschte Bauvolumen in zwei Blöcken untergebracht, die unmittelbar an die Schmalseiten des Altbaus angesetzt werden. Für die Jury eine „in jeder Hinsicht gut proportionierte Lösung“. In der Tat gewänne die Kunsthalle ihre Symmetrie zurück. Der erste Anbau von 1899 in Richtung Altmannhöhe ist deutlich seitversetzt, die unterschiedlichen großen Erweiterungen würden die Baumasse neu ausbalancieren.

Ausschlaggebend allerdings waren für die Jury ökonomische Qualitäten, abzulesen etwa an der geringen Differenz zwischen Bruttogeschoss- und Nutzfläche. Denn Platz ist in der Kunsthalle Mangelware. Der Entwurf weist 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf. Abzüglich der 650 des abzureißenden Anbaus von 1977 bliebe ein Gewinn von 850 Quadratmetern. Als noch wichtiger jedoch gilt der Raum für Sicherheitsvorrichtungen, Restaurierungswerkstätten, Museumspädagogik und Depots. „Wenn uns heute jemand 20 Bilder schenken möchte, könnten wir sie nicht annehmen“, erklärt Direktor Wulf Herzogenrath. Schon in wenigen Jahren würden, bei unveränderten Bedingungen, auch die derzeitigen Sonderausstellungen unmöglich. Herzogenrath: „Es werden immer höhere Forderungen von Leihgebern und Versicherungen gestellt.“

Wie sollen die neuen Flächen nach Außen hin verpackt sein? Angedacht sind glatte Flächen aus Naturstein und Glas. Von der Jury als „radikal“ und zeitgemäß“ belobigt: Die Gesimslinien des Altbaus sollen sich als Schriftzüge an den Anbauten fortsetzen. Möglicherweise sogar in Gestalt digitaler Textbänder.

Die Stadt sei guten Willens, das alles zu finanzieren, meint der Kunstvereins-Vorsitzende Georg Abegg. „Aber zwischen moralischer und finanzieller Unterstützung liegen Welten.“ Deswegen gelte: „Je mehr wir selber zusammen kriegen, desto schwerer wird es der Stadt fallen, nicht zu bauen.“ Herzogenraths Einschätzung: „Wenn wir eine solche Entscheidung nicht im kommenden halben Jahr erreichen, ist die Bank so lang, dass man ihr Ende gar nicht mehr sieht.“

Henning Bleyl

Alle 351 eingereichten Entwürfe sind bis zum 9. Oktober ausgestellt.

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