piwik no script img

Proteste zum FrauentagFrauenpower trotzt Gewalt

In vielen Ländern demonstrieren Frauen für ihrer Rechte. In Russland werden Feministinnen festgenommen.

Protest am Frauentag in Warschau Foto: ap

ISTANBUL/DUBLIN/WARSCHAU taz | Trotz des Ausnahmezustands, der seit dem Putschversuch vom vergangenen Juli gilt, konnte die türkische Regierung die Frauen nicht davon abhalten, den 8. März auf den Straßen zu feiern. Dabei kam es auch zu gewaltsamen Übergriffen.

Während des 8.-März-Festes auf dem Zentralcampus der Bilgi-Universität in Istanbul griff eine Gruppe unbekannter Männer Teilnehmerinnen an. Die Opfer berichteten der Onlineplattform Bianet, die Gesichter der Angreifer seien mit schwarzen Tüchern verhüllt gewesen, manche von ihnen hätten Messer gehabt und mit den Zeigefingern das Tekbir-Zeichen gemacht, das für den radikalen Islamismus steht.

Einige Studentinnen seien verletzt worden. Eine von ihnen, Irem Esmer, deren Zustand inzwischen stabil ist, rief später von ihrem Twitter-Account dazu auf, am Feministischen Nachtmarsch teilzunehmen, der jedes Jahr im zentralen Stadtteil Beyoğlu stattfindet.

Doch während normalerweise die verschiedenen Demos, die sich über das ganze Gebiet Istanbuls verteilen, von unterschiedlichen unabhängigen Organisationen veranstaltet werden, schlossen sich in diesem Jahr alle feministischen, LGBTIQ- und Trans-Initiativen zum „Gemeinsam sind Frauen mächtig“-Marsch zusammen. Eine große Rolle spielte auch die „Nein“-Kampagne zum Verfassungsreferendum, die sich mit den Frauendemos verbündete.

In Ankara trafen sich die Demonstrant*innen allen Hindernissen zum Trotz im zentralen Kurtuluş-Park, um gemeinsam zu tanzen. Der anschließende Marsch in Richtung Kolej-Platz wurde untersagt und von Sicherheitskräften aufgehalten. Unter Transparenten mit Botschaften wie „Wir wollen die Welt, nicht ihre Krümel“ begannen die Frauen daraufhin, gemeinsam kurdische und türkische Lieder zu singen.

Singen gegen die Repression

In Diyarbakır fand eine Veranstaltung unter dem Slogan „Der Frauenwiderstand und die Freiheit werden gewinnen“ statt. Botschaften von Gültan Kışanak und Ayla Akat Ata, zwei Ikonen der kurdischen Bewegung, die sich gerade in Haft befinden, wurden verlesen. Dann gab es ein Konzert der kurdischen Sängerin Rojda. Aktivistinnen der prokurdischen Demokratischen Volkspartei HDP traten wie angekündigt in den Streik.

Auch in kleiner Städten wie Samsun, Tunceli, Gaziantep, Adana, Çanakkale, Eskişehir, Antalya, Artvin’i Kocaeli, Trabzon kamen Frauen zusammen, um den 8. März zu feiern.

In Irland stand die Abtreibungsfrage im Mittelpunkt der Aktivitäten zum Frauentag. Die ist zwar bei Lebensgefahr für die Schwangere erlaubt – aber nicht bei Gefährdung ihrer Gesundheit, nach Vergewaltigung oder bei Missbildung des Fötus. Deshalb fahren im Durchschnitt zwölf irische Frauen pro Tag zur Abtreibung nach England.

Gegen diesen Zustand protestierten gestern Irinnen mit einem symbolischen Streik: Sie nahmen Urlaub oder verweigerten die Hausarbeit. Der „Strike4Repeal“ wurde von mehr als 40 nationalen und internatio­nalen Organisationen unterstützt, darunter der „Berlin-Ireland Pro-Choice Solidarity“. Die Gruppe war 2012 gegründet worden, nachdem die indische Zahnärztin Savita Halappanavar an einer Blutvergiftung gestorben war, weil sich Ärzte unter Berufung auf das Abtreibungsverbot geweigert hatten, einen nicht lebensfähigen Fötus aus ihrer Gebärmutter zu entfernen.

Bus für Abtreibungsrecht

Zudem war seit Montag der „Bus4Repeal“ in mehreren Städten unterwegs, um für eine Änderung des Abtreibungsrechts zu werben. In Umfragen hat sich schon lange eine deutliche Mehrheit dafür ausgesprochen – aber die Regierung spielt auf Zeit und hat erst mal eine Untersuchung angeordnet. Am frühen Nachmittag traf der Bus auf einer Kundgebung in Dublin ein, am Abend gab es eine Großdemo, die von der Gedenkstätte für Irlands Freiheitskämpfer zum Parlamentsgebäude führte.

In Polen gingen Frauen in über 80 Städten auf die Straße und demonstrierten lautstark für ihre Rechte. Zum ersten Mal wurden massive Forderungen laut, die Macht der katholischen Kirche zu beschränken. Deren rigide Sexualmoral habe sich zu einem „Krieg gegen die Frauen“ gesteigert. Auf Plakaten forderte man freien Zugang zu Verhütungsmitteln, zu pränatalen Untersuchungen und zur künstlichen Befruchtung.

In Warschau bildeten empörte Frauen aus ganz Polen eine „Wand der Wut“ vor der Zentrale der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit Oktober 2015 mit absoluter Mehrheit regiert. „Ich bin empört darüber, dass diese Regierung meine Menschenrechte als Frau immer weiter einschränkt, so Małgorzata Ziemnicka aus Radom, „und darüber, dass diese ‚Partei der Herren‘, wie sie sich selbst nennt, mich als Frau und Mutter so verachtet.“

Forderungen nach Rücktritt

Viele Frauen fordern den Rücktritt von Gesundheitsminister Konstanty Radziwiłł, der öffentlich betont, sein „gutes katholisches Gewissen“ würde ihm als Arzt verbieten, einer vergewaltigten Frau die „Pille danach“ zu verschreiben – denn diese löse eine Früh- und Fehlgeburt aus und sei daher als Abtreibungspille einzustufen. Deshalb soll diese Pille, die derzeit in Polen rezeptfrei zu haben ist, wieder rezeptpflichtig werden

Die wachsende Wut der polnischen Frauen könnte die PiS die Regierung kosten. Bislang haben sich die meisten Polinnen nicht übermäßig für Politik interessiert – doch das ändert sich, seit sie die Bevormundung durch PiS und Kirche immer stärker im Alltag spüren. Die Drohung mit einem landesweiten Frauenstreik soll die Regierung zum Einlenken bringen.

In Moskau wurden am Internationalen Frauentag mehrere Feministinnen bei einer Protestaktion am Kreml festgenommen. Sie hatten am Mittwoch ein Transparent mit der Aufschrift „Männer sind seit 200 Jahren an der Macht, nieder mit ihnen“ und Rauchfackeln hochgehalten. Nach Angaben der Gruppe OVD Info, die Festnahmen von Aktivisten in Russland dokumentiert, wurden sieben Frauen verhaftet. Die Menschenrechtsanwältin Mari Dawtjan sprach auf ihrer Facebook-Seite von acht Festnahmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    " „Ich bin empört darüber, dass diese Regierung meine Menschenrechte als Frau immer weiter einschränkt, so Małgorzata Ziemnicka aus Radom"

     

    Diese Regierung schränkt die Rechte aller polnischen Bürger ein, auch der Männer. Das ist also nicht "nur" allein ein Problem der Frauen. Gerade weil die Politik der PiS uns alle betrifft sollten wir uns nicht auch noch durch diesen Feminismus spalten lassen.